EU-Parlament bestätigt Recht auf Reparatur

Das Recht auf Reparatur hat eine weitere Hürde genommen. Das EU-Parlament hat heute der bereits Anfang Februar erzielten Einigung zugestimmt. Das Plenum segnete das Trilog-Ergebnis mit großer Mehrheit ab – den 584 Ja-Stimmen standen lediglich drei Ablehnungen und 14 Enthaltungen entgegen. Im nächsten Schritt müssen nun auch noch die Mitgliedstaaten im Rat das Gesetzespaket formal annehmen. Nach der anschließenden Veröffentlichung im EU-Amtsblatt bleiben den Mitgliedstaaten 24 Monate für die Umsetzung der Vorgaben.

Der zuständige Berichterstatter im EU-Parlament, der deutsche SPD-Abgeordnete René Repasi, zeigte sich im Anschluss an die Abstimmung erfreut: „Das Recht der Verbraucher, Produkte zu reparieren, wird nun Realität. Es wird einfacher und billiger sein, zu reparieren, anstatt neue, teure Produkte zu kaufen. Dies ist ein bedeutender Erfolg für das Parlament und sein Engagement, die Verbraucher im Kampf gegen den Klimawandel zu stärken.“ Die neuen Rechtsvorschriften verlängerten die gesetzlichen Garantien bei der Entscheidung für eine Reparatur um zwölf Monate, ermöglichten einen besseren Zugang zu Ersatzteilen und sorgten für eine einfachere, billigere und schnellere Reparatur, fasste Repasi zusammen.

Hersteller bestimmter Produkte wie Kühlschränke, Staubsauger und Handys müssen diese künftig auf Wunsch reparieren. Die erforderlichen Reparaturen müssen dabei innerhalb einer „angemessenen Frist“ erfolgen und, sofern die Dienstleistung nicht kostenlos erbracht wird, auch zu einem „angemessenen Preis“ vorgenommen werden. Verbraucher sollen aber auch weiterhin das Recht haben, bei fehlerhaften Produkten innerhalb der Haftungsfrist des Verkäufers zwischen Reparatur und Ersatz zu wählen. Außerdem sind Möglichkeiten für Verbraucher vorgesehen, ein Gerät zu leihen, während ihr eigenes repariert wird, oder sich alternativ für ein generalüberholtes Gerät zu entscheiden.

Mit der Vereinbarung wird zudem sichergestellt, dass unabhängige Werkstätten besseren Zugang zu Ersatzteilen haben. Herstellern wird die Verwendung von Vertragsklauseln sowie von Software- und Hardwaretechniken verboten, mit denen Reparaturen behindert werden können. Auch eine Verlängerung der gesetzlichen Gewährleistung für reparierte Geräte um ein Jahr sieht die Einigung wie von Repasi erwähnt vor.

Gerätehersteller werden mit der Richtlinie verpflichtet, Informationen über Ersatzteile auf ihrer Website bereitzustellen, sie allen Parteien im Reparatursektor zu einem angemessenen Preis zur Verfügung zu stellen und Praktiken zu verbieten, welche die Verwendung von gebrauchten oder 3D-gedruckten Ersatzteilen durch unabhängige Reparaturbetriebe verhindern, heißt es.

EU-weite Online-Plattform soll über Reparaturangebote informieren

Die Einigung sieht obendrein die Einrichtung einer Online-Reparaturplattform vor, die auf EU-Ebene konzipiert und betrieben wird und nicht wie bisher auf 27 nationalen Plattformen. Damit sollen Verbrauchern die verschiedenen Reparaturdienstleistungen auf EU-Ebene, aber auch grenzüberschreitend und in jedem Mitgliedstaat zugänglich gemacht werden.

Beschlossen wurde außerdem, dass jeder Mitgliedstaat mindestens eine Maßnahme zur Förderung von Reparaturen einführen muss. Dazu gehören beispielsweise Gutscheine und -fonds, Informationskampagnen, Reparaturkurse oder Unterstützung für gemeinschaftlich betriebene Werkstätten. Auch eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Reparaturdienstleistungen ist möglich.

VKU fordert herstellerfinanzierten Reparaturfonds in Deutschland

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) begrüßte das Abstimmungsergebnis des EU-Parlaments ausdrücklich. „Das ist ein guter Tag für den Umwelt- und Verbraucherschutz. Das Maßnahmenpaket wird uns europaweit einen großen Schritt bei dem Ziel voranbringen, mehr Abfälle zu vermeiden“, erklärt VKU-Vizepräsident Patrick Hasenkamp in einer ersten Reaktion. Wer konsumiere, müsse auch das Recht und die einfache Möglichkeit haben, seine Konsumgüter reparieren zu lassen. Nur dann könne man Abfälle vermeiden und dem Ziel einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft näherkommen.

Besonders erfreulich ist aus Sicht des VKU die Auflage für die Mitgliedstaaten, mindestens eine Maßnahme zur Stärkung der Reparatur zu ergreifen. „Bislang stellen nämlich die Kosten für die Reparatur von Produkten, die im Verhältnis zu deren Neuanschaffung häufig höher sind, die größte Hürde dar, Konsumgüter reparieren zu lassen. Für die nationale Umsetzung fordern wir deshalb, einen herstellerfinanzierten Reparaturfonds einzurichten, aus dem die Verbraucher einen Anteil der Reparaturkosten erstattet bekommen können“, so Hasenkamp.

Bitkom warnt vor Bürokratie und drängt auf Mehrwertsteuersenkung

Der Branchenverband Bitkom begrüßt die Anstrengungen der EU zur Stärkung der Reparatur zwar im Grundsatz, warnt aber gleichzeitig vor zusätzlichen bürokratischen Auflagen. „Wichtig ist jetzt, dass die Bundesregierung bei der Umsetzung des Rechts auf Reparatur in Deutschland pragmatisch vorgeht, Anreize setzt und keine neuen bürokratischen Hürden aufbaut“, erklärt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Der Verband fordert insbesondere eine Mehrwertsteuersenkung auf Ersatzteile und Reparaturdienstleistungen für IT-Geräte wie Smartphones und Laptops.

Reparaturen sind aus Sicht von Rohleder nur ein Baustein für mehr Nachhaltigkeit bei elektronischen und digitalen Geräten. „Ein Recht auf Reparatur kann eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie aber nicht ersetzen, und diese Strategie fehlt bislang“, kritisiert er. Wichtig sei, dass weitere umweltschützende und ressourcenschonende Maßnahmen ergriffen werden. „Re-Use, Refurbishment, Repair und Remanufacturing – Flexibilität sowohl für Hersteller als auch für Verbraucherinnen und Verbraucher müssen gleichwertig betrachtet und gefördert werden“, betont der Bitkom-Geschäftsführer.

Verbraucherschützer fordern Reparaturbonus, und Recht auf Reparatur für mehr Geräte

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) hält die vom EU-Parlament gebilligte Richtlinie für einen guten ersten Schritt, Reparaturen zu erleichtern. Die Verbraucherschützer fordern die Bundesregierung auf, die Umsetzung zügig anzugehen und noch in dieser Legislaturperiode einen bundesweiten Reparaturbonus einzuführen.

„Reparatur muss für Verbraucher und Verbraucherinnen zu einer sinnvollen Alternative gegenüber dem Neukauf werden. Die europäische Richtlinie macht das Reparieren leichter. Jetzt ist die Bundesregierung gefragt, die Richtlinie zügig und noch in dieser Legislatur umzusetzen“, sagte Ramona Pop, Vorständin des VZBV. Da der Preis oft über Reparaturen entscheidet, müssten Verbraucher finanziell unterstützt werden. „Der Reparaturbonus als Modell in Thüringen oder Sachsen war ein großer Erfolg. Das kann ein Vorbild für die bundesweite Einführung sein“, so Pop.

Der Verband kritisiert außerdem, dass bisher zu wenige Produkte von der EU-Richtlinie abgedeckt werden. Da die Regelungen bisher nur für zehn Produktgruppen, darunter Waschmaschinen, Fernsehgeräte, Smartphones und E-Bikes gelten, fallen Elektro- und Elektronikkleingeräte, die im Alltag häufig kaputtgehen, derzeit noch nicht darunter. „Ein Recht auf Reparatur muss für alle Produkte gelten, auch für Kaffeemaschinen und Möbel“, fordert Pop.

Die Europäische Kommission sollte sich daher dafür einsetzen, das Recht auf Reparatur zeitnah auf weitere Produktgruppen auszudehnen. Hier sei allerdings derzeit keine schnelle Lösung in Sicht, bemängelt der VZBV. Verbraucher sollten ein Recht auf Reparatur all ihrer Produkte und Geräte haben. „Meint die EU es ernst mit dem Recht auf Reparatur, sollte sie hier auf Tempo setzen“, betont die Vorständin des Verbraucherschutzverbandes.

Anmerkung der Redaktion: Wir haben die Meldung am 26.4. um die Reaktion des Verbraucherzentrale Bundesverbandes ergänzt.

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