Recht auf Reparatur in der EU beschlossen

In der EU kommt das Recht auf Reparatur. Unterhändler des Europa-Parlaments und der Mitgliedstaaten einigten sich in der Nacht zu Freitag darauf, dass Hersteller bestimmter Produkte wie Kühlschränke, Staubsauger und Handys diese künftig auf Wunsch reparieren müssen. Das teilten die belgische Ratspräsidentschaft und das Parlament mit. Es werde erstmals einen Rechtsanspruch auf Reparatur bei sogenannter weißer Ware – also große Haushaltsgeräte – und typischen Alltagsprodukten wie Smartphones eingeführt, sagte der Verhandlungsführer des EU-Parlaments, René Repasi (SPD). Künftig werde es einfacher und günstiger, Produkte reparieren zu lassen, anstatt sie neu zu kaufen. „Wir können es uns nicht mehr leisten, in einer Wegwerfgesellschaft zu leben“, betonte der deutsche Abgeordnete.

„Mit der heute erzielten Vereinbarung trifft Europa eine klare Entscheidung für die Reparatur anstelle der Entsorgung. Indem wir die Reparatur defekter Waren erleichtern, geben wir nicht nur unseren Produkten ein neues Leben, sondern schaffen auch hochwertige Arbeitsplätze, reduzieren unseren Abfall, begrenzen unsere Abhängigkeit von ausländischen Rohstoffen und schützen unsere Umwelt“, erklärte die für Verbraucherschutz zuständige Staatssekretärin im belgischen Justizministerium, Alexia Bertrand.

Laut Einigung müssen Hersteller die erforderlichen Reparaturen künftig innerhalb einer „angemessenen Frist“ und, sofern die Dienstleistung nicht kostenlos erbracht wird, auch zu einem „angemessenen Preis“ vornehmen. Verbraucher haben aber auch weiterhin das Recht, bei fehlerhaften Produkten innerhalb der Haftungsfrist des Verkäufers zwischen Reparatur und Ersatz zu wählen. Außerdem sind Möglichkeiten für Verbraucher vorgesehen, ein Gerät zu leihen, während ihr eigenes repariert wird, oder sich alternativ für ein generalüberholtes Gerät zu entscheiden.

Mit der Vereinbarung werde sichergestellt, dass unabhängige Werkstätten besseren Zugang zu Ersatzteilen haben, erklärte Repasi. „Darüber hinaus verbietet sie den Herstellern die Verwendung von Vertragsklauseln sowie von Software- und Hardwaretechniken, welche die Reparatur behindern.“ Auch eine Verlängerung der gesetzlichen Gewährleistung für reparierte Waren um ein Jahr wurde beschlossen.

Hersteller müssen Ersatzteile und Informationen bereitstellen

Hersteller werden mit der Richtlinie verpflichtet, Informationen über Ersatzteile auf ihrer Website bereitzustellen, sie allen Parteien im Reparatursektor zu einem angemessenen Preis zur Verfügung zu stellen und Praktiken zu verbieten, welche die Verwendung von gebrauchten oder 3D-gedruckten Ersatzteilen durch unabhängige Reparaturbetriebe verhindern, heißt es.

Die Einigung sieht obendrein die Einrichtung einer europäischen Online-Reparaturplattform vor, die auf EU-Ebene konzipiert und betrieben wird und nicht wie bisher auf 27 nationalen Plattformen. Ziel sei es, Verbrauchern die verschiedenen Reparaturdienstleistungen auf EU-Ebene, aber auch grenzüberschreitend und in jedem Mitgliedstaat zugänglich zu machen.

Die Verhandlungsführer einigten sich zudem darauf, dass jeder Mitgliedstaat mindestens eine Maßnahme zur Förderung von Reparaturen einführen muss. Dazu gehören beispielsweise Reparaturgutscheine und -fonds, Informationskampagnen, Reparaturkurse oder Unterstützung für gemeinschaftlich betriebene Reparaturwerkstätten. Auch eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Reparaturdienstleistungen ist möglich.

Die neuen Vorgaben gelten aber nicht für alle Produkte. So sind den Angaben zufolge manche Waren wie Kopfhörer und Möbel ausgenommen. Ein genauer Rechtstext wird in der Regel einige Wochen nach Einigung der Unterhändler veröffentlicht. Das Parlament und die EU-Staaten müssen dem Kompromiss noch zustimmen. In den meisten Fällen ist das reine Formsache.

Erhebliche Einsparungen von Emissionen und Ressourcen erhofft

Die Kommission argumentierte bei der Vorstellung des Vorhabens, weniger weggeworfene Produkte würden sowohl weniger Abfall als auch weniger Ressourcenverbrauch bei der Herstellung bedeuten. Somit entstünden auch weniger Treibhausgasemissionen. Auf Grundlage ihres Vorschlags schätzte die Kommission, dass im Verlauf von 15 Jahren 18,5 Mio Tonnen Treibhausgasemissionen sowie 1,8 Mio Tonnen Ressourcen eingespart und die Abfallmenge um drei Mio Tonnen reduziert werden kann.

Die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses des EU-Parlaments, Anna Cavazzini, bezeichnete das Verhandlungsergebnis als Durchbruch für den Verbraucherschutz. „Reparatur wird einfacher und erschwinglicher, indem der Zugang zu Ersatzteilen zu einem angemessenen Preis und zu Reparaturanleitungen der Hersteller auch für kleine Repair-Shops um die Ecke und Tüftlerinnen in ihren Garagen garantiert wird“, sagte die Grünen-Politikerin.

Mitgliedstaaten bleiben zwei Jahre für Umsetzung

Grundlage der Einigung ist ein Vorschlag, den die EU-Kommission vor knapp einem Jahr vorgelegt hatte. Das EU-Parlament tritt nach eigenen Angaben bereits seit mehr als zehn Jahren für ein Recht auf Reparatur ein. Im April 2022 erhöhte das Parlament den Druck und stimmte mit großer Mehrheit dafür, dass Produkte so gestaltet werden, dass sie länger halten, sicher repariert werden können und ihre Teile leicht zugänglich und ausbaubar sind.

Nach der finalen Einigung durch Rat und Parlament wird die Richtlinie im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Die Mitgliedstaaten haben dann zwei Jahre Zeit, um die Vorgaben in nationales Recht umzusetzen. (Eigener Bericht/dpa)

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