Dritte Verhandlungsrunde über weltweites Plastikabkommen angelaufen

Vertreter von mehr als 170 Staaten haben im März 2022 im Rahmen der Vereinten Nationen beschlossen, ein umfassendes Abkommen über Plastik auszuarbeiten, um die Belastung der Umwelt und der menschlichen Gesundheit durch den Werkstoff zu verringern. Am Montag ist in der kenianischen Hauptstadt Nairobi die dritte Sitzung des zwischenstaatlichen Verhandlungsausschusses (INC-3) angelaufen, um die Einzelheiten des geplanten Abkommens auszuarbeiten. Es soll verbindliche Maßnahmen für den gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen festlegen, von der Produktion der Materialien selbst über die Gestaltung von Plastikprodukten bis hin zur Entsorgung und Verwertung von Abfällen.

Nach Sitzungen in Uruguay und Frankreich ist die Verhandlungsrunde in Kenia am Sitz des UN-Umweltprogramms (UNEP) die dritte von geplanten fünf. Die Ausarbeitung des Texts soll vor Jahresende 2024 abgeschlossen werden, damit Mitte 2025 ein Staatengipfel das Abkommen verabschieden und zur Unterzeichnung freigeben kann.

Kunststoffproduktion in 20 Jahren verdoppelt

Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben des Verbands der Kunststofferzeuger Plastics Europe weltweit 400,3 Mio Tonnen Kunststoff produziert, doppelt so viel wie 2002. Mehr als 90 Prozent der Menge wurde auf Erdölbasis hergestellt, auch wenn die Anteile biobasierter und recycelter Rohstoffe gestiegen sind.

Nach Angaben von Wissenschaftlern wurde von sämtlichem Kunststoffabfall, der zwischen 1950 und 2018 angefallen ist, ein Anteil von 76 Prozent deponiert, auf Müllkippen oder völlig unkontrolliert in der Umwelt entsorgt. Die Menge an Plastikmüll, die jährlich in die Meere gelangt, wird auf 4,8 bis 12,7 Mio Tonnen geschätzt. In der Meeresumwelt schaden sie den Ökosystemen zum Beispiel durch die Freisetzung von Mikroplastik oder von problematischen Chemikalien. Laut einem Bericht des UN-Umweltprogramms ließe sich die weltweite Plastikverschmutzung bis 2040 um 80 Prozent verringern.

Grundsatzfragen noch offen

Das geplante Abkommen soll unter anderem regeln, ob und in welchem Umfang die Produktion bestimmter Kunststoffe und der Einsatz besonders schädlicher chemischer Bestandteile verbindlich beschränkt werden sollen und mit welchen Mitteln dies erreicht und überwacht werden kann. Außerdem geht es um die Vermeidung und die umweltgerechte Entsorgung von Kunststoffabfällen, ihre Sammlung und Verwertung und mögliche Finanzierungsmechanismen dafür.

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen legte im September einen Vorentwurf für das Abkommen vor, doch viele grundsätzliche Fragen sind noch zu klären. So ist noch offen, welche Arten von Kunststoffen unter den Geltungsbereich des Abkommens fallen sollen. Uneinigkeit besteht auch in der Frage rechtlich verbindlicher Zielvorgaben und darüber, ob und in welchem Umfang die Produktion begrenzt werden soll. Vor allem ölreiche Staaten wollen den Fokus auf Recyclingprozesse statt auf Beschränkungen bei der Herstellung setzen.

Auch bei der Finanzierung prallen verschiedene Interessen aufeinander: Entwicklungs- und Schwellenländer erwarten, von Industriestaaten bei der Bewältigung der Kosten unterstützt zu werden. Offen ist, wie genau das aussehen kann und inwieweit die Privatwirtschaft zur Übernahme der Kosten herangezogen wird.

Umweltschützer fordern Einschränkungen

Die Umweltorganisation WWF nannte die Verhandlungsrunde in Kenia entscheidend, um die Weichen für verbindliche Regeln zu stellen. „Sich auf nationale oder freiwillige Einzelmaßnahmen zu verlassen, hat in die Sackgasse eines ungerechten Systems geführt. Mit globalen Regeln, die die Verursacher stärker in die Pflicht nehmen, können wir eine gerechtere Wertschöpfungskette für Plastik schaffen und auch die Umwelt entlasten“, sagte die Kunststoffexpertin Laura Griestop von WWF Deutschland. Dies sei vor allem für ärmere Staaten wichtig, die einen besonders hohen Preis für die Auswirkungen des Plastikmülls zahlten.

Greenpeace fordert, die Kunststoff-Neuproduktion bis 2040 um mindestens 75 Prozent zu reduzieren und Einwegplastikprodukte abzuschaffen. Zudem solle es einen sozial gerechten Übergang zu einer auf Wiederverwendung basierenden klimafreundlichen Wirtschaft geben.

Hersteller legen Fokus auf Kreislaufwirtschaft

Die Kunststoffhersteller wollen dagegen Produktionseinschränkungen vermeiden und betonen stattdessen die Rolle des Recyclings. Der Interessensverband Plastics Europe fordert etwa den Ausbau von Abfallverwertungssystemen weltweit sowie verbindliche Vorgaben für den Einsatz von Recyclingmaterial und für reparierbare und wiederverwertbare Produkte. Hersteller sollten einen finanziellen Beitrag zur Abfallentsorgung leisten. „Entscheidend ist es, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um Kunststoffe aus nicht-fossilen Rohstoffen herzustellen und sie am Ende ihrer Nutzung konsequent im Kreis zu führen“, forderte der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) in Deutschland, Wolfgang Große Entrup.

Viele Wissenschaftler erhoffen sich von dem Abkommen ein umfassendes Umdenken des globalen Umgangs mit Kunststoffen, wie zum Beispiel aus einer Reihe von Stellungnahmen hervorgeht, die das Helmholtz-Zentrum Hereon zu den Verhandlungen über das Abkommen veröffentlichte. Melanie Bergmann vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, plädiert etwa für eine Beschränkung der Plastikproduktion auf das unbedingt notwendige Maß sowie auf nachgewiesen harmlose Chemikalien. Zudem sollten die Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit bereits in den Preisen berücksichtigt werden.

Deutschland für ambitioniertes Abkommen

Der Kampf gegen Plastikmüll und die Vorbereitungen für die Verhandlungsrunde waren auch Thema beim deutsch-chinesischen Umweltforum, das Anfang November in Taicang in der Nähe von Shanghai stattfand. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sprach sich dort für mehr Recycling, aber vor allem auch für eine Begrenzung der Plas­tikproduktion aus.

Deutschland ist auch Mitglied der „High Ambition Coalition to End Plastic Pollution“. Dieser Zusammenschluss, dem mittlerweile über 60 Staaten angehören, setzt sich für ein ambitioniertes Abkommen mit verbindlichen Regelungen ein. (dpa / eigener Bericht)

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