bvse: Kein grüner Stahl ohne grünen Schrott

Mit der anstehenden Transformation der europäischen Stahlindustrie hin zu einer CO2-neutralen Produktion wird der Sekundärrohstoff Schrott weiter an Bedeutung gewinnen. Dies betonte Sebastian Will, Mitglied im geschäftsführenden Präsidium des bvse Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung, vergangene Woche auf einer Konferenz des Informationsdienstes MBI. Will: „Ohne den Einsatz von Schrott kann grüner Stahl nicht produziert werden.“ Gleichzeitig kritisierte er Anstrengungen der Lobbyvertretungen der Stahlkonzerne, den freien Außenhandel von Stahlschrott gesetzlich einschränken zu lassen.

Obwohl in der EU schon seit Beginn der 2000er Jahre der Schrotteinsatz an der Rohstahlproduktion konstant bei jährlich 55 bis 57 Prozent liege, wurde das Thema Schrott von den Abnehmern gerne unter den Tisch gekehrt, bemängelte Will. Mit dem durch den europäischen Green Deal verbundenen Zwang zur CO2-freien Produktion bis 2050 sei der Schrotteinsatz nun aber verstärkt in den Fokus der Stahlindustrie und hier insbesondere der integrierten Hüttenwerke gerückt. „Plötzlich sind wir wichtig“, so Will.

bvse und Euric wehren sich gegen Pläne der Stahlindustrie für ein Exportverbot

Dabei tue die europäische Stahlindustrie alles, um den Schrott in Europa zu halten, weil sie glaube, dass der vorhandene Außenhandelsüberschuss durch eine „wie auch immer geartete Exportbeschränkung“ im EU-Raum gehalten werden könne. Als Beispiel nannte Will den Versuch der europäischen Stahlverbände, in der Abfallverbringungsverordnung ein Abfallexportverbot für Stahlschrott zu platzieren. Dank eigener intensiver Lobbyarbeit des bvse und des europäischen Dachverbands Euric konnte aber erreicht werden, dass dieses Ansinnen der Stahlindustrie für den EU-Gesetzgeber keine Option ist.

Nun aber starte der europäische Stahlverband Eurofer einen neuen Angriff auf den Sekundärrohstoff Schrott, warnte Will. So versuche Eurofer, den Massenstrom Fe-Metallschrott über den Critical Raw Material Act als strategisch bedeutsam und damit als kritischen Rohstoff einstufen zu lassen.

Beim Europäischen Parlament findet der Verband damit offenbar Gehör. Wie berichtet, enthält die letzte Woche vom Parlament verabschiedete Verhandlungsposition zum CRM Act die an die EU-Kommission gerichtete Forderung, eine „Liste strategischer Sekundärrohstoffe, einschließlich Stahlschrott“ aufzustellen.

Laut Will zielen alle diese Vorstöße der Stahlindustrie auf ein Exportverbot ab, von dem sie sich Preis- und Lieferdiktat verspreche. Die Schrottwirtschaft wehre sich aber nach Kräften und werde versuchen, das Vorhaben der Stahlindustrie durch Gegenvorschläge zu verhindern oder wenigstens abzumildern. Als Beispiel nannte er die Verbandsforderung nach einem Recyclinganteil in der Stahlproduktion, an dem der Gesetzgeber Gefallen finde.

bvse: Auch Schrottwirtschaft braucht politische und finanzielle Unterstützung

Sebastian Will hob in seinem Vortrag zudem die technischen und finanziellen Herausforderungen der Schrottrecyclingbranche hervor, die mit der Transformation der Stahlproduktion einhergehen. Denn die angestrebte CO2-Reduzierung erfordere mehr einsatzfähigen Schrott. Das vorhandene Sammelaufkommen müsse hierfür sortenreiner aufbereitet werden. Dazu wiederum bedürfe es technischer Neu- und Weiterentwicklungen der Aufbereitungstechnik.

Bisher habe die Schrottwirtschaft die Nachfrage der Werke ohne staatliche Steuerung und Hilfe zu jeder Zeit befriedigt. Für die anstehenden Herausforderungen braucht sie laut Will nun aber – genau wie die betroffenen Industrien – politische und finanzielle Unterstützung. Will verwies auf die verschiedenen, permanenten europäischen und nationalen Hilfen, der sich die Stahlindustrie seit Jahren erfreue.

Zudem reagierten die Stahlunternehmen auf die zunehmende Bedeutung des Schrotts mit verstärkten horizontalen Konzentrationen durch den Zukauf von Schrotthandelsunternehmen oder mit dem Aufbau eigener Lagernetze, der Schließung strategischer Partnerschaften oder unfreundlichen Übernahmen. Der Wettbewerb rund um den Schrott werde an Intensität neue Dimensionen erreichen, ist sich Will sicher, sieht seine Zunft aber insgesamt gut gerüstet.

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