UN-Plastikabkommen: Interessengruppen positionieren sich im Vorfeld der Verhandlungen

Im Vorfeld der vierten und voraussichtlich vorletzten Verhandlungsrunde über das geplante Plastikabkommen der Vereinten Nationen haben verschiedene Verbände und Interessengruppen ihre Forderungen und Positionen veröffentlicht. Das Abkommen soll Maßnahmen für den gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen festlegen, von der Produktion der Materialien selbst über die Gestaltung von Plastikprodukten bis hin zur Entsorgung und Verwertung von Abfällen. Die Verhandlungen finden Ende April statt.

Kunststoffabfälle als wertvollen Rohstoff behandeln

Der Interessensverband Plastics Europe hebt in einem gestern veröffentlichten Statement die Bedeutung der „Transformation der Kunststoff-Wertschöpfungskette von einem linearen zu einem zirkulären System“ hervor. Den effektivsten Weg, um diese Transformation zu beschleunigen, sieht der Verband darin, „Kunststoffabfälle als wertvollen Rohstoff“ zu behandeln. Eine höhere Wertigkeit schaffe Anreize, Kunststoffabfälle wiederzuverwerten und zu recyceln, anstatt sie wegzuwerfen, zu verbrennen oder zu deponieren, so die Argumentation. Dies wiederum würde Investitionen in die Abfallwirtschaftsinfrastruktur und Forschung fördern.

Der Fokus der Verhandlungen solle daher „in erster Linie auf Maßnahmen liegen, die den Wert von Kunststoffabfällen steigern, indem sie die Nachfrage nach zirkulären Kunststoffen erhöhen“. Dies könne zum Beispiel durch die Einführung von verbindlichen Rezyklateinsatzquoten für kunststoffverarbeitende Branchen auf nationaler Ebene erreicht werden. Zudem sollten politische Maßnahmen, die die Nachfrage nach Plastikabfällen steigern, durch nachhaltige Finanzierungsmechanismen unterstützt werden, beispielsweise durch die Einführung von Programmen zur erweiterten Herstellerverantwortung (EPR), fordert der Verband weiter.

„Obwohl die Verhandlungen schnell zum Abschluss kommen müssen und ambitionierte Ziele verfolgen, sollten die Delegierten vermeiden, unbedachte Entscheidungen zu treffen, die zwar auf den ersten Blick gut aussehen, aber langfristig unbeabsichtigte Folgen haben könnten“, so Virginia Janssens, Geschäftsführerin von Plastics Europe. „Statt auf Verbote und Negativlisten zu setzen, die eher ungenau und kontraproduktiv sind, appellieren wir an die Delegierten, praxistaugliche und wissenschaftlich fundierte Maßnahmen zu unterstützen.“

Neuproduktion von Plastik verringern und gefährliche Chemikalien in Plastik verbieten

Im „Exit Plastik-Bündnis“ organisierte Umweltverbände, Stiftungen und NGOs identifizieren im Vorfeld der Verhandlungsrunde vor allem eine Reduktion der Neuproduktion von Kunststoffen und das Verbot gefährlicher Chemikalien in der Kunststoffproduktion als Prioritäten. In einem gemeinsamen Manifest zur Plastikwende wendet sich das Bündnis heute an die Verhandlungsführer.

„Die Plastikwende muss jetzt kommen. Dazu gehört ein ambitionierter Abkommenstext, der die Neuproduktion von Plastik verringert und gefährliche Chemikalien in Plastik verbietet“, erklärt das Bündnis. Von den über 16.000 Chemikalien, die bei der Produktion von Kunststoffen zum Einsatz kommen, seien mehr als 4.200 aufgrund ihrer Eigenschaften gefährlich. Das Bündnis plädiert daher für ein Verbot dieser Chemikalien. Die Neuproduktion von Kunststoffen solle vor allem aufgrund des hohen Energieverbrauchs eingeschränkt werden, argumentieren die Organisationen weiter.

„Obwohl nachhaltigere und schadstofffreie Alternativen existieren, bietet der Handel Produkte hauptsächlich in Plastik oder in anderes Einwegmaterial verpackt an. Um unverpackte Produkte und Mehrwegsysteme zum neuen Normal zu machen, muss das deutsche Verpackungsgesetz endlich Hersteller und Händler in die Pflicht nehmen“, so die Verbände. Das Bündnis appelliert daher an die Bundesregierung, diese Reform noch in dieser Legislaturperiode zu beschließen.

Die Bereitschaft zu Veränderungen innerhalb der Bevölkerung sei vorhanden, argumentieren die Verbände. Dies belege auch das Ergebnis einer Umfrage, wonach die Mehrheit der Befragten eine Mehrwegpflicht in der To-Go-Gastronomie bei unkomplizierter Rückgabe befürworte.

Zum Exit Plastik-Bündnis gehören: a tip tap, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Forum Umwelt und Entwicklung, Greenpeace, Heinrich-Böll-Stiftung, HEJSupport, Women Engage for a Common Future, Zero Waste Germany und Zero Waste Kiel.

„High Ambition Coalition“ fordert verbindliche Ziele

Die „High Ambition Coalition to end Plastic Pollution“ (HAC), ein Zusammenschluss von Ländern, die sich für ein ambitioniertes internationales Instrument zur Beendigung der Umweltverschmutzung durch Kunststoffe einsetzen, hat ebenfalls im Vorfeld der Verhandlungen ihre Ziele in einer gemeinsamen Erklärung der 64 zuständigen Minister neu formuliert. Das Kernziel, bis 2040 ein Ende der Umweltverschmutzung durch Kunststoffmüll zu erreichen, bleibt dabei unberührt.

Die Staaten fordern unter anderem rechtsverbindliche internationale Regeln und Maßnahmen. Die Herstellung und der Verbrauch von Primärkunststoffen solle durch diese Maßnahmen eingeschränkt und „auf ein nachhaltiges Maß“ begrenzt werden. Diese Maßnahmen sollten mit der Zeit intensiviert und die Umsetzung transparent überwacht werden.

Die HAC-Mitglieder betonen außerdem, dass die durch Untätigkeit entstehenden sozioökonomischen und ökologischen Kosten deutlich höher seien, als die Kosten „angemessener und kontrollierter Maßnahmen“ zur Beendigung der Umweltverschmutzung durch Kunststoffe.

Die vollständige HAC-Erklärung, die auch von Deutschland unterzeichnet wurde, lässt sich hier abrufen.

Wissenschaftler unterstreichen Bedeutung des globalen Plastikabkommens

Wie bereits Anfang Februar berichtet, hebt auch ein Bericht des European Academies Science Advisory Councils (EASAC) die Notwendigkeit eines koordinierten globalen Ansatzes zur Bekämpfung der Plastikkrise hervor. In dem Papier wird die rasante Zunahme von Plastikherstellung und -verbrauch sowie der Plastikverschmutzung in Meeren, Süßwasser-Gewässern und an Land als Folge von Systemfehlern verdeutlicht. Die Experten warnen, dass sich das weltweite Plastikmüllvolumen bis 2060 auf über eine Mrd Tonnen fast verdreifachen könnte, sofern keine entscheidenden Maßnahmen ergriffen werden.

Die dritte Verhandlungsrunde über das Plastikabkommen war im vergangenen November in Nairobi ohne konkrete Fortschritte zu Ende gegangen. Die nächsten Verhandlungen finden vom 23. bis 29. April im kanadischen Ottawa statt.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) wird nach Informationen der Deutschen Presseagentur bereits am Wochenende nach Kanada reisen. Für Sonntag sei ein Treffen mit ihrem kanadischen Amtskollegen Steven Guilbeault geplant. „Wir müssen dringend auf der ganzen Welt den Plastikeintrag in die Natur verringern und eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft fördern“, so die Ministerin.

Die fünfte und letzte Sitzung zum Plastikabkommen ist für Ende November im südkoreanischen Busan angesetzt. Bis Ende des Jahres sollen die Verhandlungen eigentlich abgeschlossen sein. Den aktuellen Planungen zufolge soll der Text des Abkommens im ersten Halbjahr 2025 endgültig verabschiedet werden. Danach ist es an den einzelnen Staaten, die Vorgaben des UN-Abkommens in nationale Programme oder Gesetze zu übernehmen.

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