Hamburger Hochschule und Nexxoil forschen an E-Fuels aus flüssigen Abfällen

Pilotanlage bereits in Betrieb / Greenpeace übt Kritik an E-Fuels

Das Energieunternehmen Nexxoil forscht gemeinsam mit der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg) an E-Fuels. Gemeinsam betreiben sie bereits eine Pilotanlage zur Herstellung von E-Fuels aus flüssigen Abfällen. Das kann beispielsweise Altöl sowie Altfett sein. In der im Februar eröffneten Pilotanlage stellen die beiden Partner Bio-Rohöl und künstlichen Diesel her.

Theoretisch könnten bis zu 100 Tonnen Kraftstoff pro Jahr in der Anlage erzeugt werden, sagte Nexxoil-Geschäftsführer Thorsten Dunker gegenüber EUWID. Umgerechnet wären das rund 116.000 Liter Bio-Diesel. Allerdings werde die Anlage aufgrund des Pilotcharakters nicht durchgängig betrieben, ergänzte Dunker. So bewege sich die hergestellte Kraftstoffmenge pro Jahr auf unter zehn Tonnen, etwa 11.000 Liter.

Das Projektbudget wurde von der HAW Hamburg auf über 655.000 € beziffert. Eine kommerzielle Anlage zur Biodieselproduktion ist bereits geplant. Nexxoil will eine erste Produktionsstätte im Großmaßstab bis Ende des Jahres im Raum Hamburg bauen. Eine zweite soll im kommenden Jahr in Bayern entstehen, so Dunker. In dieser will Nexxoil bis zu 3,75 Mio Liter Kraftstoff produzieren, sagte der Unternehmenschef. Dafür müssten die Hamburger etwa fünf Mio Liter Altöl und Altspeisefett einsetzen.

Mit dem klimaneutralen Kraftstoff könnten ohne weiteres herkömmliche Autos und Lastwagen betankt werden, sagte Projektleiter Thomas Willner, der Mitgründer von Nexxoil ist. Für die Herstellung von einem Liter Kraftstoff benötige die Anlage eine Kilowattstunde Strom. Um ein Auto 100 Kilometer weit fahren zu lassen, seien also rund fünf Kilowattstunden Strom nötig. Ein Elektroauto verbrauche dagegen auf dieser Strecke etwa 15 Kilowattstunden, ergänzte Anika Sievers, die Professorin für Thermische Verfahrenstechnik an der HAW ist.

Auch Entsorger KBS am Projekt mitbeteiligt

Ein weiterer Kooperationspartner des Hamburger Hochschulprojekts ist das schleswig-holsteinische Entsorgungsunternehmen KBS. Es liefert zurzeit die Altfette, aus denen die Kraftstoffe hergestellt werden. In der Werkhalle auf dem Hamburger Campus stehen mehrere große Kunststoffbehälter, etwa einen Meter hoch. Sie enthalten altes Speisefett aus der Mensa der Hochschule. In einem Tank der Anlage, die in einem blauen Standardcontainer untergebracht ist, wird es vorgewärmt und homogenisiert.

Das flüssige Fett wird in einen Reaktor gepumpt. Das zylinderartige Gerät ist in einem Container darüber montiert. Bei einer Temperatur von 350 bis 400 Grad werden die relativ großen Kohlenwasserstoff-Moleküle des Fetts aufgebrochen, erläuterte Sievers. Schließlich verdampfen die Moleküle und werden in einem Kondensator wieder abgekühlt.

In einer ersten Stufe entsteht das Bio-Rohöl. In einer zweiten Stufe werden Grundstoffe erzeugt, die in der chemischen Industrie genutzt werden können. Allerdings müssten die Moleküle vorher „designed“ werden, sagte Willner. Das machen die Forscher, indem sie Wasserstoff hinzugeben. Nebenbei bilden sich im Reaktor Gase wie Methan, Ethan und Propan, die künftig zum Erwärmen der Anlage genutzt werden sollen.

„Der Prozess könnte autark laufen“, sagte Willner. Übrig bleibt eine Art Kohle, die als Bodenverbesserer in die Erde eingebracht werden könne und damit CO2 langfristig binde. Außerdem bleibe Abwasser zurück, aus dem noch Biogas gewonnen werden könne.

Einsatz von Kunststoffabfall geplant

Künftig wollen die Hamburger Verfahrenstechniker Plastikabfälle als Rohstoff für ihren klimaneutralen Erdölersatz nutzen. E-Fuels können auch auf eine andere Art aus Synthesegas hergestellt werden.

Bei diesem Verfahren wird Kohlendioxid aus der Luft genutzt, um ein Gasgemisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff zur Weiterverarbeitung zu gewinnen. Forscher am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) nutzen die sogenannte Fischer-Tropsch-Synthese zur Produktion von E-Fuels. Kritiker bemängeln allerdings einen hohen Strombedarf des Verfahrens. Willner hingegen hält diesen Ansatz für sinnvoll, vor allem in Ländern mit viel erneuerbarer Energie, beispielsweise Saudi-Arabien.

Auch in anderen europäischen Staaten machen sich Unternehmen über alternative Kraftstoffe Gedanken. Der finnische Konzern Neste produziert hydriertes Pflanzenöl bereits in großen Raffinerien in Singapur, dem finnischen Porvoo und in Rotterdam. In der niederländischen Hafenstadt hat Neste vergangenes Jahr die Produktion von E-Fuels mehr als verdoppelt. Das Unternehmen stockte die Produktion von erneuerbaren Kraftstoffen von 1,2 Mio Tonnen auf rund 2,7 Mio Tonnen auf. Allein 1,4 Mio Tonnen entfallen dabei auf nachhaltige Flugkraftstoffe (SAF). (Eigener Bericht / dpa)

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