Remondis: Bundeskartellamt will Prüfungen von Übernahmen verschärfen

Das Bundeskartellamt will noch strenger auf Remondis schauen. Die Wettbewerbshüter prüfen, ob künftig auch kleinere Übernahmen des größten deutschen Entsorgungskonzerns angemeldet werden müssen. Grundlage für die Ankündigung sind die Ergebnisse einer neuerlichen Sektoruntersuchung des Kartellamtes zum Entsorgungsmarkt.

„Insbesondere bei der Erfassung von Restmüll sowie bei der Erfassung und Aufbereitung von Altglas hat die Rethmann-Gruppe eine sehr starke Marktposition. Angesichts dieser Ergebnisse werden wir im nächsten Schritt prüfen, ob wir Rethmann verpflichten, künftig auch die Übernahmen von kleineren Unternehmen bei uns anzumelden“, erklärte Kartellamtspräsident Andreas Mundt kurz vor dem Jahreswechsel. Die Behörde könne dann auch die wettbewerblichen Auswirkungen kleinerer Übernahmen prüfen und „die fortschreitende Marktkonzentration“ kontrollieren.

Grundsätzlich kann das Kartellamt Übernahmen von Unternehmen erst ab einer bestimmten Umsatzschwelle prüfen. Für den in Deutschland mittelständisch geprägten Entsorgungsbereich bestehe aber die Gefahr, dass größere Unternehmen der Branche in erheblichem Umfang kleinere Unternehmen aufkaufen können, ohne dass die wettbewerblichen Auswirkungen kontrolliert werden könnten, schreibt die Behörde. Die Erfahrung der vergangenen Jahre habe gezeigt, dass in diesem fusionskontrollfreien „Unterschwellenbereich“ zahlreiche Aufkäufe durch größere Anbieter stattfinden.

Tatsächlich übernimmt Remondis immer wieder kleinere Unternehmen in verschiedenen Bereichen. Dass ein Teil dieser Übernahmen unter dem Radar läuft, zeigte auch die jüngste Auswertung des Geschäftsberichtes der Muttergesellschaft Rethmann für das Jahr 2022.

„Remondis-Klausel“ kommt erstmals zur Anwendung – bei Remondis

In den jüngsten Anpassungen des Wettbewerbsrechts wurden dem Kartellamt erweiterte Eingriffsmöglichkeiten eingeräumt. So schaffen die letzten GWB-Novellen die Möglichkeit, bestimmte Unternehmen zur Anmeldung auch von kleineren Übernahmen zu verpflichten. Die von vielen Experten als „Remondis-Klausel“ bezeichnete Änderung kommt nun offenbar tatsächlich erstmals bei dem Entsorgungskonzern zur Anwendung. Voraussetzung dafür ist jedoch eine aktuelle Sektoruntersuchung, mit der objektiv nachvollzogen werden kann, dass durch künftige Zusammenschlüsse der wirksame Wettbewerb im Inland erheblich behindert werden könnte.

Eine derartige Untersuchung hat das Kartellamt kurz nach Weihnachten vorgelegt. Im nächsten Schritt holt die Behörde nun Stellungnahmen aus dem Markt ein. Marktteilnehmer und „interessierte Wirtschaftskreise“ können bis Ende Februar zur Sektoruntersuchung Stellung beziehen. Im Anschluss an die Auswertung dieser Stellungnahmen wolle man prüfen, ob ein Verfahren zum Erlass einer gesonderten Anmeldeverpflichtung gegen die Rethmann-Gruppe einzuleiten sei, heißt es weiter.

Ergebnisse der Sektoruntersuchung bestätigen hohe Marktanteile für Rethmann-Gruppe

Die Ergebnisse der neuerlichen Prüfung im Entsorgungsmarkt sind allerdings wenig überraschend. Im Vergleich zu der vor zwei Jahren veröffentlichten Sektoruntersuchung seien die Ergebnisse bei der Erfassung „sehr konstant“ geblieben, so das Kartellamt. Die Unternehmen der Rethmann-Gruppe erreichen demzufolge auf bundesweiter Ebene auf den Märkten für die Abfuhr von Rest-, Bio- und Sperrmüll Anteile in Höhe von 25 bis 30 Prozent. Bei der Erfassung getrennt gesammelter Fraktionen wie PPK (Papier, Pappe, Kartonage), gemischter Verpackungen/Wertstoffe und Glas liegen die Marktanteile bei 20 bis 25 Prozent. Auf den Märkten für die Erfassung von Verkaufsverpackungen im Auftrag dualer Systeme erreicht die Rethmann-Gruppe bei Leichtverpackungen (LVP) Marktanteile zwischen 25 und 30 Prozent, und bei Behälterglas liegen die Marktanteile bei 35 bis 40 Prozent.

Die Abstände zu den jeweils nächstfolgenden Wettbewerbern seien in den meisten Bereichen beträchtlich, betont die Wettbewerbsbehörde. Zwar hätten einige Unternehmen Anteile hinzugewinnen können, andere hätten hingegen Anteile verloren. Die Abstände zu den Unternehmen der Rethmann-Gruppe hätten sich insgesamt nicht signifikant verändert.

Bei einer Betrachtung auf Ebene der Bundesländer erreichen die Unternehmen der Rethmann-Gruppe in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern bei der Erfassung von Restmüll Anteile, die sich der Marktbeherrschungsvermutung des GWB nähern bzw. sie überschreiten, schreibt das Kartellamt weiter. Dies gelte auch für die Erfassung von PPK in den Ländern Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und Saarland und bei der Erfassung von LVP für duale Systeme in Thüringen, Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Auch auf dieser Ebene sei festzustellen, dass nächstfolgende Wettbewerber auf niedrigem Niveau Anteile hinzugewonnen oder verloren haben, ohne dass sich hierdurch die Abstände zur Rethmann-Gruppe wesentlich verringert hätten. In allen anderen Bundesländern verteilten sich die Anteile gleichmäßiger auf die vorhandenen Anbieter, in einzelnen Ländern seien auch andere Anbieter Marktführer.

Die Ergebnisse des Kartellamtes decken sich überwiegend auch mit der Auswertung der Marktanteile in der Erfassung von verschiedenen Abfallströmen für das Jahr 2023. Remondis vereinte dabei Anteile von über 30 Prozent bei der Sammlung von Haus- und Sperrmüll sowie von knapp unter 30 Prozent bei Bioabfall und Altpapier. Bei der Erfassung von Altglas wies der Konzern sogar einen Anteil von 40 Prozent auf, bei Leichtverpackungen deckte Remondis ein Drittel des Marktes ab.

Anteile kommunaler Unternehmen werden von Kartellamt nicht berücksichtigt

Berücksichtigt man jedoch auch die Aktivitäten von kommunalen Unternehmen, reduzieren sich die Marktanteile von Remondis in der Erfassung deutlich. So entfallen bei der Sammlung von Haus- und Sperrmüll sowie von Bioabfällen und Altpapier bundesweit zwischen 45 und 50 Prozent des Marktes auf die Aktivitäten von Kommunen. Dementsprechend halbieren sich bei dieser Betrachtung die Anteile von Remondis am Gesamtmarkt. Der Konzern hat das Kartellamt daher wiederholt dazu aufgefordert, bei Sektoruntersuchungen der Entsorgungswirtschaft auch die kommunalen Aktivitäten mit in die Gesamtbetrachtung des Marktes einzubeziehen.

In der jetzt vorgelegten Sektoruntersuchung räumt das Kartellamt zwar ein, dass auf die Eigenleistungen der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger ein „signifikanter Anteil“ am bundesweiten Erfassungsvolumen entfällt und das für Wettbewerber zugängliche Erfassungsvolumen sich dementsprechend verringert. Sofern die örE Abfälle der ihnen angeschlossenen Einwohner selbst oder in kommunaler Zusammenarbeit ohne vorherige öffentliche Ausschreibung erfassen, werden sie vom Bundeskartellamt aber „nicht als wettbewerbliche Anbieter auf den Märkten für die Erfassung von Siedlungsabfällen“ angesehen. „Erst wenn ihre Eigenbetriebe z.B. im Wege der Teilnahme an Ausschreibungen im Wettbewerb mit anderen Unternehmen um die Aufträge Dritter stehen, kommt ihnen eine Anbieterstellung auf dem entsprechenden Markt zu“, heißt es in dem Bericht weiter.

Kommunale Entsorgungsbetriebe im Eigentum von örE seien als Wettbewerber auf den Märkten für die Erfassung von Rest-, Bio- und Sperrmüll aber nur selten aktiv, stellt das Kartellamt fest. So erfasse von den sechs größten kommunalen Entsorgungsbetrieben in Deutschland nur die EGN Entsorgungsgesellschaft Niederrhein Rest-, Bio- oder Sperrmüll auch in anderen Gebieten als der Stadt Krefeld im Wettbewerb zu privaten Unternehmen.

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