Bundesrat macht Weg frei für Kraftstoff aus Abfällen

Nachdem im November bereits die Bundesregierung ihre Zustimmung zu paraffinischem Diesel als Reinkraftstoff erteilt hatte, zog am Freitag der Bundesrat nach. Damit können Dieselfahrzeuge ab Mitte April Sprit aus Abfallstoffen tanken. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sprach von einem wichtigen Schritt für mehr Klimaschutz im Verkehr. „Der Kraftstoff ist besonders hochwertig und nachhaltig.“

Bislang erlaubt der Gesetzgeber in Deutschland im Diesel nur Biokraftstoff-Beimischungen von sieben Prozent. Laut Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) ist dieser B7 die gängige Dieselsorte an deutschen Tankstellen. Künftig sollen sie auch 100-prozentigen Biodiesel aus zertifizierten, nachhaltigen Rest- und Abfallstoffen, sogenannten Hydrotreated Vegetable Oils (HVO), verkaufen dürfen. Meist handelt es sich um alte Fette aus Großküchen, aber auch verschiedene andere organische Abfallstoffe wie Holzreste oder Speiseabfälle können verwendet werden.

In Deutschland sind laut Kraftfahrt-Bundesamt heute mehr als 14 Mio Autos, Lastwagen und andere Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterwegs. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte: „Mit HVO100 können wir die CO2-Emissionen im Verkehr kurzfristig senken.“ Die Einsparung betrage bis zu 95 Prozent im Vergleich zu herkömmlichem Diesel.

Wie der Bundesverband freier Tankstellen (BfT) mitteilte, wird der Biodiesel heute ausschließlich im öffentlichen Nahverkehr, von Logistikbetreibern und in der Landwirtschaft verwendet; an Tankstellen ist er noch nicht frei verfügbar. Aber das Potenzial in der Speditions- und Logistikbranche sei groß: „Wir schätzen, dass 80 Prozent der HVO-Nutzung gewerblich sein wird.“ Laut VDB wird die globale HVO-Produktion bis 2025 voraussichtlich 30 Mio Tonnen überschreiten. Der finnische HVO-Hersteller Neste rechnet damit, dass biogene Kraftstoffe bis 2040 etwa eine Mrd Tonne Rohöl ersetzen können, was etwa 40 Prozent des weltweiten Bedarfs im Transport ausmacht.

HVO ist etwa 15 bis 20 Cent teurer

Nach den Erfahrungen in anderen europäischen Ländern, in denen HVO schon längst getankt werden kann, ist er pro Liter 15 bis 20 Cent teurer als fossiler Diesel, wie der BfT mitteilte. Der Bundesverband Energie-Mittelstand (Uniti), in dem 40 Prozent der Straßentankstellen organisiert sind, erwartet, „dass in der ersten Anlaufphase HVO100 für Flottenbetreiber besonders interessant sein wird“: Sie können so CO2-Vorgaben auch mit bestehenden Fahrzeugen leichter erreichen. Wenn HVO-100-Diesel bei der Energiesteuer gegenüber fossilem Diesel entlastet würde, helfe das der Wirtschaft und dem Klima zusätzlich.

„Moderne Dieselmotoren sind grundsätzlich dafür geeignet“, sagte Wissing auf die Frage, ob HVO dem Motor schade. „Es bedarf keiner technischen Anpassungen oder Umrüstungen der Fahrzeuge oder des flächendeckenden Tankstellennetzes“, heißt es in einer Erklärung von ADAC, Uniti, Kfz-Gewerbe, Logistikverbänden und einigen Lkw-Herstellern. Der ADAC weist allerdings darauf hin, dass die Freigabe von Kraftstoff für einen Motor grundsätzlich beim Fahrzeughersteller liege.

Der neue Kraftstoff könnte bereits ab dem 13. April schrittweise in den öffentlichen Verkauf gehen. Laut Bundesverkehrsministerium kann man den Biosprit in den Niederlanden, Schweden, Litauen und vielen anderen Ländern bereits tanken. Laut Uniti ist HVO100 bereits an über 600 Tankstellen in Europa frei erhältlich. In den meisten EU-Staaten und in den USA sei der Verkauf erlaubt. Da bei Ausschreibungen von internationalen Logistikaufträgen vermehrt strenge CO2-Anforderungen gelten, sei das Verbot in Deutschland ein Wettbewerbsnachteil für deutsche Anbieter gewesen.

Ob Autofahrer flächendeckend paraffinischen Dieselkraftstoff tanken können, ist früheren Berichten zufolge allerdings umstritten, da es nur eine begrenzte Menge gebe. Altspeiseöle – beispielsweise aus der Gastronomie – würden bereits heute als Beimischung vollständig im Verkehr eingesetzt. (dpa/eigener Bericht)

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