BMU stellt sich Ruf nach Verordnung über Verwertung mineralischer Abfälle

Workshop in Bonn / Länder und Wirtschaft wünschen Rechtssicherheit

Die überwiegende Mehrheit der Bundesländer und der betroffenen Wirtschaft will eine Verordnung des Bundes über die schadlose Verwertung mineralischer Abfälle wie Bodenaushub, Bauschutt, Aschen und Schlacken. Das ist eines der Ergebnisse eines Workshops des Bundesumweltministeriums (BMU), an dem vorige Woche über 200 Vertreter von Behörden, Wirtschaft und Wissenschaft teilgenommen haben. Von einer „Bundesverwertungsverordnung“ werden Rechtssicherheit und gleiche Wettbewerbsbedingungen für den Umgang mit jährlich 220 bis 250 Mio Tonnen Abfall aus diesem Bereich erwartet.

Mit dem Workshop wollte das Umweltministerium die Grundlage für eine möglichst konsensfähige Lösung ausloten. Dabei gehe es um die Balance zwischen den Anforderungen des Boden- und Grundwasserschutzes und der Zielsetzung der Kreislaufwirtschaft und der Ressourcenschonung, wie Helge Wendenburg, Abteilungsleiter des Bundesumweltministeriums, verdeutlichte. Eine gute Basis für die Verordnung könnte das Eckpunktepapier der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) bilden, meinte BMU-Referatsleiter Rüdiger Wagner zum Abschluss der Tagung. Im Rahmen der Veranstaltung hat das BMU die Vertreter der Länder, der Wirtschaft und ihrer Verbände zu intensiver Mitarbeit aufgerufen. So soll im laufenden Jahr der Dialog mit den Ländern und der Wirtschaft fortgesetzt und ein Arbeitsentwurf erstellt werden. Im nächsten Jahr könnte dann das Rechtsetzungsverfahren beginnen, war in Bonn zu hören.

Dort wurde vor allem auf die erheblichen Vollzugsprobleme in diesem Bereich hingewiesen. So darf nach dem sogenannten Tongruben-Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom April 2005 das alte LAGA-Merkblatt M 20 nicht mehr angewandt werden. Zudem haben die Länder die Fortschreibung des LAGA-Papiers M 20 mit den neuen Technischen Regeln Boden nicht oder nur vorläufig eingeführt, auch wird dessen Rechtssicherheit bezweifelt. Entscheidungen über Verwertungsmaßnahmen können derzeit nur im Einzelfall auf der Grundlage der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung unter Berücksichtigung der dortigen Vorsorgewerte getroffen werden. Ein Vertreter des Rhein-Sieg-Kreises sprach von einem unhaltbaren Zustand. Wegen des Tongruben-Urteils müssten die Bescheide einzeln gestrickt werden. „Wir brauchen eine Verordnung, schnell, einfach und transparent für Behörden und Industrie“, sagte er. Meist deutlicher Zuspruch für eine Verordnung kam seitens der Umweltministerien der Länder Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Schleswig-Holstein, Hessen und Niedersachsen. Die Vertreter der Länder Sachsen und Bayern zeigten sich hingegen skeptisch bis ablehnend. Es müsse auch die Wirtschaftlichkeit beachtet werden, ohne die Waage aus dem Gleichgewicht zu bringen, meinte Otto Bischlager vom bayerischen Umweltministerium.

Baden-Württemberg, das wie Bayern und das Saarland per Erlass Recyclingbaustoffe unter bestimmten Voraussetzungen als Produkte aus dem Abfallregime entlässt, gab sich dem Vorhaben gegenüber zurückhaltend. Sollte der Bund an seiner Absicht festhalten, eine entsprechende Verordnung zu erlassen, könnten die Regelungen des baden-württembergischen Erlasses in eine Bundesverordnung übernommen werden, empfahl Peter Dihlmann vom Stuttgarter Umweltministerium. Dihlmann zufolge müssten auch die Hintergrundwerte unbelasteter Böden berücksichtigt werden. Er schlug eine Ermächtigung der Länder vor, wonach diese per Verordnung Ausnahmen bei geogen erhöhten Werten festlegen können. Der Vertreter des hessischen Umweltministeriums, Kurt Bartke, rechnete hoch, dass bundesweit bis zu 50 Mio Tonnen pro Jahr mineralische Abfälle nicht mehr verfüllt werden könnten, wenn neue verschärfte Grenzwerte gelten. Die Entsorgungssicherheit für die mineralischen Abfälle wäre nicht mehr gewährleistet, so Bartke mit Blick auf die Deponiekapazitäten. Er empfahl die Fortschreibung des Bodenschutzrechtes. Dabei sollten sich die Vorsorgewerte an bereits geogen vorhandenen Hintergrundwerten orientieren.

Es beschwerten sich derzeit eine Vielzahl von Verwertern und Planungsbüros massiv über Vollzugsdefizite, hieß es aus dem Saarland, das derzeit den Vorsitz der LAGA inne hat. Das bundesweite „Regelungswirrwarr“ sei nicht durchschaubar, sagte Ralf Helge Theis vom saarländischen Umweltministerium. Eine Bundesverwertungsverordnung hält er für unverzichtbar: „Lieber heute als morgen”. Nach Ansicht von Christel Wies vom Umweltministerium Nordrhein-Westfalen sind unterschiedliche Regelungen in den Ländern auf längere Sicht nicht zielführend. Eine rechtsverbindliche Festlegung von Anforderungen an die Verwertung von mineralischen Massenstoffen sei notwendig und könne nur durch eine Verordnung des Bundes erfolgen. Wies warb ausdrücklich dafür, die Erfahrungen von Nordrhein-Westfalen mit einfließen zu lassen.

Als Basis für eine mögliche Bundesverordnung gilt das im Sommer 2004 von der LAGA erstellte Eckpunktepapier. Heinz-Ulrich Bertram vom niedersächsischen Umweltministerium warb für die Eckpunkte. Es sei keine Zeit mehr für Auseinandersetzungen zwischen den Ländern und den Verbänden. Es müsse eine schlanke und pragmatische Regelung geschaffen werden. Er verwies dabei auf die „Ausgewogenheit und Rechtskonformität“ des Papiers. Die drei Länderarbeitsgemeinschaften für Abfall, Wasser und Boden hätten sich in identischen Beschlüssen im Herbst die Eckpunkte zu eigen gemacht. Das Papier, das versucht einerseits den Anforderungen des Boden- und Grundwasserschutzes sowie andererseits des Ressourcenschutzes gerecht zu werden, ist in Wirtschaftskreisen nicht unumstritten.

Seitens der Wirtschaft kritisierte Jörg Demmich von der GFR Gesellschaft für Aufbereitung und Verwertung von Reststoffen die Eckpunkte. Das Papier wäge nicht hinreichend zwischen dem Grundsatz der Vorsorge und den Geboten des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ab. Es sei deshalb als Grundlage für eine Verordnung nicht akzeptabel. Befürchtet werde von Seiten der Wirtschaft eine „vorsorgende Vorsorge“, die das umweltpolitische Ziel der Bundesregierung, die Abfallwirtschaft zu einer Stoffstromwirtschaft ohne Deponien weiterzuentwickeln, infrage stellen würde. Gleichwohl sprach sich Demmich für eine praktikable Bundesverwertungsverordnung aus, an deren Erarbeitung die betroffene Wirtschaft umfassend einbezogen werden sollte. Er empfahl zunächst eine Überarbeitung des Bodenschutz- und Wasserrechts, um dann ein harmonisiertes Gesamtkonzept zu erstellen. Das Vorsorgekonzept müsse die Verhältnismäßigkeit berücksichtigen.

Ingo Schulz von der Bundesgütegemeinschaft Recycling-Baustoffe sprach sich für eine Verordnung des Bundes aus, mit Blick auf die Vorteile einer einheitlichen Regelung im Bund und auf die derzeit nicht vorhandene Rechtssicherheit. Über Öffnungsklauseln müsse aber vorab nachgedacht werden, nicht dass der Ländervollzug im Endeffekt doch nach „Lex-Bundesland 1-16“ geregelt werde. Damit würde die Verordnung „ad absurdum“ geführt, warnte Schulz. Um Grenzwerte müsse keine neue Auseinandersetzung geführt werden, meinte er zu abweichenden Vorstellungen. Es gehe dabei nur um wenige Werte wie z.B. Sulfat oder PAK, worüber in Arbeitsgruppen nachgedacht werden könne, bot Schulz den Dialog an. Dann müsste es möglich sein, zu einer allgemeinen Verwertungsverordnung zu kommen.

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