Biotonnen, Bringsystem, Eigenkompostierung – uneinheitliches Vorgehen beim Biomüll in Thüringen

Vor allem in den größeren Städten Thüringens gehört die Biotonne schon länger zum Stadtbild. Doch es gibt auch Kommunen im Freistaat, die auf andere Entsorgungsmodelle setzen, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab.

Die Erfahrungen mit der Biotonne seien in den Kommunen überwiegend positiv, berichtet die dpa. In Erfurt sei diese verpflichtend. Bereits seit 1998 seien alle Grundstücke in der Landeshauptstadt damit ausgestattet. Wer den Nachweis einer Eigenkompostierung erbringe, könne sich von dieser Pflicht befreien lassen; dafür entfalle ein Teil der Abfallgebühr. Ähnlich wird es laut einer Sprecherin auch in Jena gehandhabt. Allerdings könnten die „Eigenkompostierer“ – anders als Nutzer der Biotonne – ihren Grünschnitt dort nicht kostenlos an den dafür vorgesehenen Sammelstellen abgeben.

Im Wartburgkreis und der Stadt Eisenach ist die Biotonne ebenfalls Pflicht, aber auch dort gibt es Ausnahmen für die Eigenkompostierung. Dafür müsse der Kompost mit einem Foto und eine bestimmte Grundstücksgröße nachgewiesen werden, erklärt Holger Kachel vom Abfallwirtschaftszweckverband Wartburgkreis Stadt Eisenach. Aktuell nutze nur etwa ein Drittel der Haushalte die Biotonne. Der Verband versucht laut Kachel, noch mehr Bürger zum Mitmachen zu überzeugen. In Zukunft solle die tatsächliche Eigenkompostierung stärker kontrolliert werden.

Ein Mischsystem aus Holen und Bringen wird unter anderem in der Stadt Gera und im Kreis Greiz praktiziert: „In der Stadt Gera und in Städten größer als 5.000 Einwohner im Landkreis Greiz wird die Nutzung einer Biotonne angeboten“, erklärte Jasmin Schöne vom Abfallwirtschaftszweckverband Ostthüringen. In den kleineren Orten werde zwar stufenweise ein Biomüll-System aufgebaut, allerdings sei das in Regionen mit weniger als 100 Einwohnern pro Quadratkilometer wegen der weiten Wege weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll.

Der Kreis Eichsfeld setzt unter anderem deshalb auf ein reines Bringsystem: Neben den Sammelstellen für Grünschnitt gebe es gegenwärtig 200 Küchenabfalltonnen, in denen organischer Küchenabfall abgegeben werden könne, hieß es vom Landratsamt. Die Erfahrungen damit seien gut.

Fehlwürfe sorgen für Probleme bei der Abfallentsorgung

Dem Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz zufolge stieg die über die Biotonne entsorgte Abfallmenge in Thüringen von 2015 bis 2021 stetig an – von 68.000 Tonnen im Jahr 2015 auf rund 83.000 Tonnen im Jahr 2021. 2022 ging das Abfallaufkommen aus der Biotonne dann allerdings um neun Prozent auf 75.000 Tonnen zurück. Das Landesstatistikamt führte die geringe Menge organischer Abfälle vor allem auf die Dürre im Jahr 2022 zurück.

Probleme wurden in Thüringen laut dpa unter anderem bei der Abfallentsorgung gemeldet: Während mehrere Kreise über Schwierigkeiten berichten, geeignete Kompostierungs- oder Biogasanlagen zu finden, mangelt es in den Haushalten an der „Mülldisziplin“, so die dpa. Vor allem in den Städten sei die Zahl der Fehlwürfe recht hoch. Zu einem echten Ärgernis hätten sich „kompostierbare Biomüllbeutel“ aus Kunststoff entwickelt. Diese würden in den Kompostieranlagen nicht verrotten und sorgten auch in Biogasanlagen für Probleme. Die biologisch abbaubaren Beutel dürften auf keinen Fall im Biomüll landen.

Rechtsstreit zur Biotonne im Weimarer Land noch offen

Größere Probleme gibt es aus Sicht des Thüringer Landesverwaltungsamts derzeit unter anderem mit dem Kreis Weimarer Land. Nach einer mündlichen Verhandlung über die Bereitstellung eines „ausreichenden Systems zur Getrenntsammlung“ vor dem Verwaltungsgericht Weimar stehen das Urteil und die daraus resultierenden Folgen noch aus, wie eine Behördensprecherin sagte.

Für den Kreis steht die Entlastung der Restmülltonne durch eine eigene Biotonne in keinem Verhältnis zu den Aufwendungen, wie der Werkleiter der Kreiswerke Weimarer Land, Frank Gerhardt, betonte. So würde der CO2-Ausstoß der drei für die Biomüllabfuhr nötigen neuen Sammelfahrzeuge die Einspareffekte einer Biotonne zunichtemachen. Durch eine fehlerhafte Entsorgung erhöhe sich zudem der Anteil von Mikroplastik im entstehenden Kompost, so Gerhardt. „Das Thema Biotonne müsste wirklich ökologisch betrachtet werden, jedoch stehen dahinter ideologische und ökonomische Gründe.“

Auch im Saale-Holzland-Kreis ist dem Landesverwaltungsamt zufolge momentan eine Klage dazu anhängig. In den Landkreisen Schmalkalden-Meiningen, Saalfeld-Rudolstadt und dem Saale-Orla-Kreis seien Lösungen absehbar, im Kreis Sonneberg laufe ein Prüfverfahren.

Anschluss an Biotonne für alle Haushalte gefordert

Der BDE hatte bereits 2022 den mangelnden Anschluss an die Biotonne von bundesweit gerade einmal 50 Prozent kritisiert und eine „Vollzugsoffensive in allen Kreisen und Städten“ für mehr Getrenntsammlung gefordert. Durch die Lücken im Biotonnen-Netz gehen nach Einschätzung des Verbands „enorme Mengen an organischen Abfällen im Restmüll verloren“. Bringsysteme sollten nach Einschätzung des BDE nur noch für geeignete Abfälle, wie z.B. für gefährliche Abfälle angewendet werden. Bei Massenströmen wie Bioabfällen sollte die Wertstoffhofsammlung nur noch ergänzend zum haushaltsnahen Holsystem angeboten werden.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert ebenfalls bundesweit eine Biotonnenpflicht. Laut einer DUH-Mitteilung aus dem Januar verfügen rund 5,4 Mio Bürgerinnen und Bürger bundesweit nur über eine sehr eingeschränkte oder gar keine Möglichkeit zur getrennten Sammlung von Bioabfall. In mindestens zwölf Landkreisen und kreisfreien Städten gebe es noch immer keine Möglichkeit, Bioabfälle getrennt zu erfassen, kritisiert die DUH. In weiteren 30 Landkreisen und kreisfreien Städten müssten Bürgerinnen und Bürger ihren Bioabfall mühsam zu Sammelstellen im öffentlichen Raum oder Wertstoffhöfen transportieren. Zu den von der Umwelthilfe kritisierten Landkreisen gehören unter anderem der Saale-Holzland-Kreis, der Saale-Orla-Kreis, Saalfeld-Rudolstadt sowie das Weimarer Land in Thüringen . (dpa/eigener Bericht)

- Anzeige -
Relevante Märkte
Hier finden Sie passende Marktpreise

Themen des Artikels
Kategorie des Artikels
- Anzeige -