BEHG: SPD und FDP signalisieren Bereitschaft, CO2-Bepreisung von Abfall zu verschieben

Wie Benzin, Diesel und Erdgas sollen künftig auch abfallstämmige Brennstoffe einer CO2-Bepreisung unterstellt werden. An diesem im Entwurf zur Novelle des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) gesetzten Ziel will die Bundesregierung auf jeden Fall festhalten. Allerdings signalisierten die Vertreter der Regierungsparteien SPD und FDP bei der gestrigen ersten Bundestagslesung Gesprächsbereitschaft, den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes zu verschieben. Hintergrund sei die momentan angespannte Lage auf den Energiemärkten, in der weitere Belastungen und eine Überforderung der Bürger vermieden werden sollten.

Nach der Aussprache wurde die Gesetzesvorlage zur weiteren Beratung an den federführenden Bundestagsausschuss für Klimaschutz und Energie überwiesen.

Die Klimaschutz- und energiepolitische Sprecherin der SPD, Nina Scheer, stellte sich in ihrer Rede hinter die Ziele des Gesetzes, die darin lägen CO2-intensive, umweltschädliche Dinge aus dem Markt zu drängen und durch das Herausnehmen ansonsten enthaltener „stiller Subventionen“ für Markt- und Preisgerechtigkeit zu sorgen. Allerdings dürfe die mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes angestrebte Erhöhung der Bepreisung von CO2-Emissionen nicht im „luftleeren Raum“ stehen und akut zu einer Überforderung der Menschen führen, so Scheer.

In ihrem kürzlich beschlossenen dritten Entlastungspaket hatte sich die Ampelkoalition deshalb bereits darauf verständigt, die im aktuell geltenden BEHG für 2023 vorgesehene Erhöhung des CO2-Preises auf 35 € pro Tonne auszusetzen und auf 2024 zu verschieben. Diese Verständigung innerhalb der Regierung, die Bürger nicht überfordern zu wollen, werde auch in das aktuelle Gesetzgebungsverfahren zur Novelle des BEHG Einzug erhalten, versicherte die SPD-Abgeordnete.

FPD: Inkrafttreten der BEHG-Novelle um mindestens ein Jahr nach hinten verschieben

Noch konkreter äußerte sich in der Bundestagsdebatte der klimapolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Olaf in der Beek: „In Anbetracht der aktuell angespannten Lage müssen wir Bedenken ernst nehmen, dass nun zusätzlich Kosten auf Menschen und Unternehmen zukommen können. Deshalb muss es natürlich eine Diskussion darüber geben, ob wir das Inkrafttreten [des Gesetzes] analog zur Verschiebung der CO2-Preiserhöhung um mindestens ein Jahr nach hinten verschieben – auch um kein falsches politisches Signal an die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen zu versenden.“

Gleichzeitig möchte in der Beek die Diskussion in diesem Punkt aber auch „auf den Boden der Tatsachen“ zurückholen, indem er darauf hinwies, dass sich die jährlichen Zusatzbelastungen der Haushalte den aktuellen Prognosen zufolge im ein- bis zweistelligen Eurobereich bewegen werden. „Aber sei´s drum: Alle Belastungen für Haushalte und Unternehmen müssen sorgfältig abgewogen werden. Das werden wir in der Berichterstattung sicherlich tun“, so der FDP-Abgeordnete.

Ansonsten stellte sich in der Beek vorbehaltlos hinter das Gesetzesvorhaben. Es sei konsequent und fair, die Abfallverbrennung in den Emissionshandel einzubeziehen. Damit würden sowohl zwischen den Sektoren als auch innerhalb der Abfallverbrennung gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen, erinnerte in der Beek daran, dass Abfall-Mitverbrennungsanlagen wie Zementwerke über das europäische Emissionshandelssystem schon lange einen Emissionspreis zu zahlen haben. Vorwürfe, die CO2-Bepreisung der Abfallverbrennung würde keine Lenkungswirkung entfalten, wies der FDP-Sprecher zurück. In der Beek ist davon überzeugt, dass der CO2-Preis Anreize für mehr Abfalltrennung und Recycling setzen wird. „Ich vertraue da voll auf die Kreativität und Ideen unserer Abfallwirtschaft.“

Grüne gegen Verschiebung

Ob die Grünen als dritter Koalitionspartner in dieser Frage bei den nun anstehenden Ausschussberatungen ohne Weiteres mitziehen werden, darf mit Blick auf die gestrige Plenardebatte allerdings bezweifelt werden. So stellte sich die klimapolitische Sprecherin der Grünenfraktion, Lisa Badum, gegen ein Aufschieben der CO2-Bepreisung von Abfall: „Ich warne davor, jegliche Preisinstrumente der Klimapolitik aufgrund der jetzt hohen fossilen Preise irgendwie verschieben zu wollen.“ Der Bereich Abfall habe seinen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Wenn man jetzt versuche, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit gegeneinander auszuspielen, manövriere man sich in ein paar Jahren direkt in die nächste Energiekrise hinein, in der erneut Deutschlands fossile Abhängigkeiten und mangelnde Effizienz beklagt würden.

Aus Sicht der Grünen darf die Abfallverbrennung nicht weiter subventioniert werden. So hätten die Anlagenbetreiber laut Badum in den vergangenen Jahren rund eine Mrd € gespart, weil sie nicht, wie es sinnvoll gewesen wäre, von Anfang an in die CO2-Bepreisung mit einbezogen wurden. „Das ist nicht fair, denn das Molekül CO2 ist ja nicht weniger schädlich, wenn es aus dem Müllverbrenner statt aus dem Auspuff kommt“, kritisierte Badum. „Deswegen müssen wir das ändern.“

Durch eine Verschiebung einer CO2-Bepreisung von Abfall beraube sich die Bundesregierung zudem Haushaltsmitteln, so Badum. Durch die Einbeziehung der Müllverbrennung in den BEHG-Geltungsbereich sei allein im kommenden Jahr mit rund 700 Mio € Einnahmen für den Klima- und Transformationsfonds zu rechnen; Geld das an die Bürger beispielsweise über das Klimageld zurückgegeben werden könnte. Auch bezweifelt Badum, dass sich die Abfallverbrenner den CO2-Preis nicht leisten können. Sie verwies auf deren hohen Mehreinnahmen für Wärme und Strom, die in diesem Jahr um rund 460 Prozent gestiegen seien, während sich die Kosten für die Müllverbrennung nicht verändert hätten.

Kritik der Opposition

Weitaus kritischer bewertet die Opposition die Kosten- und Gebührenfrage. Gesine Lötzsch von der Linken-Fraktion ist davon überzeugt, dass die Abfallentsorger die zusätzlichen Kosten durch eine CO2-Bepreisung der Verbrennung eins zu eins an die Bürger weitergeben werden. „Wir erleben eine Preisexplosion und nun sollen die Mieterinnen und Mieter noch zusätzlich mit CO2-Preisen belastet werden. Das lehnen wir ab. Die Preise müsse gesenkt werden und nicht noch künstlich erhöht werden“, so Lötzsch. Auch die nun angekündigte Verschiebung des CO2-Preises sei da keine Lösung. Aus Linken-Sicht sind die CO2-Preise der falsche Weg und gehören abgeschafft. „Die marktgläubige Klimapolitik ist sozial ungerecht“, so Lötzsch.

Auch die CDU-Fraktion lehnt das Gesetz ab. Grundsätzlich sei eine Bepreisung von CO2 zwar der richtige Weg, um im Klimaschutz voranzukommen, sagte der CDU-Abgeordnete Thomas Gebhart. Jedoch bezweifelt er, dass der vom BEHG-Gesetz vorgesehene Mechanismus in dieser Form eine Lenkungswirkung entfaltet und Abfälle eingespart werden können. „Wenn man dies erreichen will, ist es vielmehr wichtig, dass man am Anfang bei den Herstellern ansetzt und dort Anreize setzt, dass Produkte so gestaltet werden, dass am Ende möglichst wenig Abfälle entstehen.“

Weiterhin erkennt der CDU-Abgeordnete wie die Linken eine „soziale Schieflage“ im Gesetz, da steigende Müllgebühren Haushalte mit kleinem Einkommen verhältnismäßig viel stärker belasten werden als höhere Einkommen. Auch dürfe die CO2-Bepreisung nicht zu einem reinen Einnahmeinstrument des Staates werden, sondern müsse einhergehen mit einer gleichzeitigen Entlastung. Dem Gesetz fehle ein entsprechender „Rückerstattungsmechanismus“.

Schließlich warnte Gebhart davor, dass der nationale Alleingang Deutschlands dazu führen könnte, dass Abfälle vermehrt in Länder mit „laxeren Umweltstandards“ exportiert werden. So könnte es sein, dass das Gesetz nicht nur keine Lenkungswirkung habe, sondern sogar zu einem Rückschritt im Klimaschutz führe.

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