Lebensmittelwirtschaft fordert Aussetzung der deutschen „Mineralölverordnung“

„Recyclingprozess von Papierverpackungen gefährdet“

Verbände der Lebensmittel- und Verpackungswirtschaft fordern die Aussetzung der umstrittenen deutschen „Mineralölverordnung“. Andernfalls würden der Recyclingprozess von Papierverpackungen gefährdet und die enormen Anstrengungen in Sachen Nachhaltigkeit bei Lebensmittelverpackungen konterkariert, geht aus einer Mitteilung des Lebensmittelverbandes hervor.

Wie Sieglinde Stähle aus der Wissenschaftlichen Leitung des Lebensmittelverbands erklärt, würde die vorgesehene Regelung zu einem Mehreinsatz von Mischmaterialien sowie von Kunststoff- und Aluminiumbeuteln führen und damit zu negativen Auswirkungen auf nachhaltige Verpackungskonzepte. Die Regelung sei angesichts der aktuellen Unsicherheiten und der Rezession ein unverhältnismäßiger, unbegründeter und unzeitgemäßer Eingriff, den der Verbraucherschutz in keiner Weise erforderlich mache.

Mit der „Mineralölverordnung“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) soll die Pflicht zur Verwendung sogenannter Barrierematerialien bei altpapierhaltigen Packstoffen zur Vermeidung potenzieller Migration von bestimmten Mineralölbestandteilen aus Verpackungen in Lebensmitteln eingeführt werden.

Eine solche Barrierepflicht würde massiv Einfluss auf die derzeitige Verwendung von papierbasierten Verpackungen in der Lebensmittelkette und auf deren Recyclingfähigkeit und die Kosten für Recycling nehmen, so die Verbände. Begründet wird der politische Schritt mit der Gesundheitsgefahr, die von den Mineralölbestandteilen MOAH (Mineral Oil Aromatic Hydrocarbons) ausgeht. Laut Lebensmittelverband ist aber die maßgebliche Eintragsquelle von MOAH in die Recyclingkreisläufe von Papier die Bedruckung von Papier- und Kartonerzeugnissen, die gar nicht als Lebensmittelverpackung dienen, mit mineralölhaltigen Druckfarben. „Maßnahmen, die auf genau diese Eintragsquelle gezielt Einfluss nehmen und für saubere Recyclingkreisläufe sorgen, hat die Bundesregierung seit Jahren versäumt und sogar abgelehnt. Das Konzept der Mineralölverordnung bestraft nun die verpackende Lebensmittelwirtschaft und die Lebensmittelverpackungshersteller für Missstände, die nicht in ihrem Einflussbereich und ihrer Verantwortung liegen“, moniert Stähle.

Der Verband verweist darauf, dass die Lebensmittelwirtschaft in Eigenverantwortung seit Jahren erfolgreiche Minimierungsstrategien für Mineralölbelastungen der Lebensmittel betreibe, für die es sehr unterschiedliche Quellen geben könne. Die Ergebnisse würden im Monitoring des mit der Lebensmittelüberwachung gemeinsam betriebenen Projekts „MOH-Orientierungswerte“ zusammengefasst, das ausdrücklich von der Verbraucherschutzministerkonferenz unterstützt werde. Wie Stähle betonte, belegten die Daten des Projektes objektiv, dass der gesundheitliche Verbraucherschutz heute in Bezug auf die kritischen Mineralölbestandteile MOAH bereits gewährleistet sei.

Aus den „MOH-Orientierungswerten“ gehe hervor, dass trotz der unterschiedlichen Quellen im breiten Lebensmittelangebot nicht mit MOAH-Belastungen gerechnet werden müsse und sich die Guten Herstellungspraktiken geändert hätten. Die „MOH-Orientierungswerte“ kämen in der Anwendung und Wirkung einer faktischen Selbstverpflichtung der Wirtschaft gleich.

Verteuerung von verpackten Lebensmitteln befürchtet

Völlig unverständlich sei, warum die Bundesregierung die Fortschritte und gegenwärtige Situation nicht zur Kenntnis nehme, sondern die Notwendigkeit einer „Mineralölverordnung“ noch immer und ausschließlich mit Untersuchungen aus dem Jahr 2009 begründe, so der Verband weiter. Besonders besorgniserregend für die Branche seien die mit der Umstellung durch die „Mineralölverordnung“ verbundenen Kostenfolgen. Neue Verpackungskonzepte, der Zertifizierungsaufwand und das aufwändigere Recycling würden zu einer weiteren Verteuerung vor allem papierverpackter Lebensmittel führen müssen. Stähle erinnerte an den Abwehrschirm der Bundesregierung, der auch unverhältnismäßige Bürokratie vermeiden und der Wirtschaft keine zusätzlichen Bürokratielasten aufbürden soll. Die beabsichtige Verordnung brächte auch für die Lieferketten erheblichen und zusätzlichen bürokratischen Aufwand mit sich.           

 

 

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