Frankreich will per Gesetz gegen Fast Fashion vorgehen

Mitte März hat Frankreichs Parlament einen Gesetzentwurf zur Regulierung von Fast Fashion-Konzernen in erster Lesung angenommen. Das Unterhaus war einstimmig für die Vorschläge, die drei Punkte umfassen: ein Werbeverbot für extrem kurzlebige Mode, die Verpflichtung der Anbieter, auf ihren französischen Onlineplattformen mit Bannern auf ökologische Folgen ihres Geschäftsmodells aufmerksam zu machen und schließlich sollen künftig Strafzahlungen pro verkauftem „Wegwerfartikel“ fällig werden, die in die Förderung von Abfallvermeidung und Recycling fließen.

Die geplante Gesetzesänderung im Bereich Umweltrecht zielt darauf ab, die französische Textilindustrie angesichts internationaler Fast-Fashion-Anbieter zu stärken, und insgesamt zu nachhaltigeren Produktionsmengen zurückzukehren. „In Frankreich ist die Zahl der jährlich verkauften Kleidungsstücke innerhalb eines Jahrzehnts um eine auf 3,3 Mrd gestiegen“, sagt Anne-Cécile Violland, Abgeordnete der französischen Nationalversammlung und Vertreterin der Partei Horizons. Nachdem ihr Gesetzesentwurf im Unterhaus Zustimmung gefunden hat, wird er als nächstes im Oberhaus in zweiter Lesung geprüft.

Die immer größeren Stückzahlen der Fast Fashion in Verbindung mit Niedrigpreispolitik würden bei den Verbrauchern zu einem ständigen Verlangen nach Neuerungen führen, was Folgen für Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft habe, betont Violland. Als Beispiel nennt sie den chinesischen Modehändler Shein, der im Durchschnitt mehr als 7.200 neue Kleidungsstücke pro Tag aufliste und insgesamt über 470.000 verschiedene Produkte anbiete. Der wirtschaftliche Erfolg dieses Modells mit einem Umsatzanstieg um 900 Prozent in nur drei Jahren, habe andere Marken beeinflusst, die ihre Produktionsstrategien daraufhin anpassten: Während laut Studie des Instituts Français de la Mode im Jahr 2015 die meisten Labels in Frankreich – etwa 63 Prozent – ihre Kollektionen halbjährlich oder saisonal erneuerten, waren es 2019 nur noch 43 Prozent. Die anderen Marken erhöhten die Anzahl ihrer Kollektionen, erklärt Violland.

Aufklärungspflicht und Werbeverbot sollen Bewusstsein schärfen

Um diesem Trend entgegenzuwirken, setzt die Abgeordnete auf Sensibilisierung und Aufklärung der Verbraucher: Sie will, dass Hersteller und Händler von Fast Fashion auf ihren französischen Internetseiten Botschaften anzeigen müssen, die das Bewusstsein für die Auswirkungen von exzessivem Modekonsum schärfen und „die zur Wiederverwendung und Reparatur dieser Produkte anregen“. Für welche Unternehmen diese Pflicht konkret gilt, soll sich danach richten, wie viele neue Produkte sie in einem bestimmten Zeitraum auf den Markt bringen – Schwellenwerte werden per Dekret festgelegt. In die Berechnung soll auch ein „Öko-Score“ eingehen, um die Nachhaltigkeit von Waren und Dienstleistungen zu berücksichtigen.

Außerdem sieht der Gesetzesentwurf vor, dass für Anbieter und Waren, die unter die vorgeschlagene Definition von Fast Fashion fallen, ein Werbeverbot eingeführt wird. Das orientiere sich an ähnlichen gesetzlichen Vorgaben, wie sie bereits für Reklame im Bereich „Greenwashing“ oder für fossile Energieträger existieren.

Durch Bonus-Malus-System „Umweltkosten endlich in Rechnung stellen“

Als weitere Maßnahme zur „Wiederherstellung des Marktgleichgewichts und der Gewährleistung eines faireren Wettbewerbs“ sieht Viollands Partei ein Bonus-Malus-System vor. Auf jedes verkaufte Fast-Fashion-Produkt muss demnach ab 2025 eine Strafe gezahlt werden: Bis 2030 könne diese auf maximal zehn € pro Artikel ansteigen. Das ermögliche es, „die Umweltkosten, die durch die schlimmsten Praktiken der Industrie verursacht werden, endlich in Rechnung zu stellen“, sagt die Abgeordnete.

Kritik zu dem finanziellen Aspekt kommt von Shein France: „In seiner derzeitigen Form betrifft der Gesetzesvorschlag nicht die Umweltauswirkungen von Mode, sondern beeinträchtigt die Kaufkraft der französischen Verbraucher“, äußerte Marion Bouchut, Sprecherin der Marke, gegenüber der Tageszeitung „La Tribune“.

Die Malus-Einnahmen sollen Violland zufolge an die Organisation Refashion gehen und unter anderem zur Auszahlung eines Bonus an Unternehmen verwendet werden, die sich zum Beispiel für ökologisches Design, Abfallvermeidung, Recycling und Reparatur im Modebereich engagieren. Refashion verwaltet bereits das bestehende französische System einer erweiterten Herstellerverantwortung (EPR) für Textilien und erhebt von Produzenten und Importeuren Gebühren, um die Sammlung, Verwertung und die Entsorgung von Altkleidern zu finanzieren.

Französische Hersteller profitieren von Strafzahlungen

Von den Geldern, die durch die Anpassung der geltenden Gesetzgebung zur EPR pro verkauftem Fast-Fashion-Artikel hinzukämen, könnten vor allem traditionelle französischen Labels profitieren, die unter der Verdrängung durch Konkurrenten wie Shein oder Temu leiden, sagt Violland: „Seit mehreren Jahrzehnten werden Produktionen in Drittländer verlagert und in jüngster Zeit gab es eine Zunahme von Konkursanmeldungen. Infolgedessen hat sich die Zahl der Arbeitsplätze in der Textilindustrie seit 1990 gedrittelt.“ Auf das französische Handelsdefizit habe das fatale Auswirkungen: Die Textilindustrie sei mit über zwölf Mrd € der drittgrößte Industriezweig des Landes – und zugleich der mit dem größten Minus. Dieses mache mehr als 20 Prozent von Frankreichs Gesamtdefizit aus, welches 2023 bei 99,6 Mrd € lag.

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