Tschentscher wirbt weiter für Schlick-Verklappung vor Scharhörn

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) wirbt weiter für eine Verbringung des Schlicks aus der Elbvertiefung in die Hamburger Außenelbe. Bei einem Vortrag im traditionsreichen Übersee-Club brachte er am Dienstagabend erneut die Verklappung von jährlich rund zweieinhalb Millionen Kubikmeter aus dem Flusslauf gebaggerten Sediments nahe Scharhörn ins Spiel. Die im Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer gelegene Vogelschutzinsel gehört zur Hansestadt.

Erst kurz vor Weihnachten hatte sich Hamburg im Streit um den Schlick mit Schleswig-Holstein und Niedersachsen darauf verständigt, vorerst keine Sedimente vor Scharhörn zu verklappen, sondern sie zunächst zum Seezeichen Tonne E3 bei Helgoland zu bringen. Aus Kiel hatte es im Anschluss geheißen, die Hamburger Scharhörn-Pläne seien damit vom Tisch.

„Die Hamburger Außenelbe ist wirklich kein Skandal. Es ist ein vernünftiger Vorschlag“, sagte Tschentscher hingegen am Dienstag. Die Umweltbedenken der Nachbarländer stellte er als unbegründet dar, zumal es um Sediment „nur aus der Wasserstraße, nicht aus dem Hafenbecken“ gehe. „Wir möchten dem, was der Elbstrom ohnehin gemacht hätte – wenn er ein bisschen mehr Wasser geführt hätte –, dem möchten wir ein bisschen nachhelfen.“

Obwohl der Bund nicht weit entfernt von Scharhörn und „ziemlich dicht am Wattenmeer“ beim Neuen Lüchtergrund die vierfache Menge Schlicks verklappe, würden die Hamburger Pläne als „großes Ärgernis“ verstanden, „weil wir angeblich die Natur gefährden“, sagte Tschentscher. Dies sei aber gar nicht der Fall. „Das muss man einmal akzeptieren. Wir geben doch jetzt nicht mutwillig Schlick da irgendwo in die Nordsee, sondern das Sediment kommt – entweder aus der Nordsee rein oder mit dem Elbstrom runter. Es kommt nicht aus Hamburg.“

Daneben habe Hamburg auch die Nutzung der sogenannten ausschließlichen Wirtschaftszone zur Schlickverbringung vorgeschlagen – noch weiter draußen in der Nordsee. Dem müsse der Bund noch zustimmen. „Dann haben wir ein System, wo wir – je nach aktueller Lage und nach Sedimentqualität – die verschiedenen Verbringstellen nutzen können“, sagte Tschentscher.

Deutlicher Widerspruch aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen

Das neuerliche Plädoyer für eine Verbringung des Elbeschlicks vor Scharhörn stößt auf klaren Widerspruch in Kiel. Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein hätten eine Verabredung getroffen, sagte der Pressesprecher des von den Grünen geführten Umweltministeriums in Schleswig-Holstein, Matthias Kissing. „Wir gehen davon aus, dass Hamburg sich als ehrbarer Kaufmann an diese Verabredung hält.“ Der Landtag habe sich erst kürzlich klar und fraktionsübergreifend gegen eine Verklappung bei Scharhörn ausgesprochen.

Eine Schlickdeponie in dem Bereich wäre eine ernsthafte Bedrohung für das Weltnaturerbe Wattenmeer mit hochriskanten Auswirkungen für Pflanzen- und Artenwelt und schon deshalb rechtlich unzulässig, sagte der Sprecher. Es gehe nun darum, gemeinsam Lösungen für ein langfristiges nachhaltiges Sedimentmanagement zu suchen. „Die guten Gespräche mit Hamburg und Niedersachsen in den letzten Wochen stimmen die Landesregierung optimistisch, dass wir auf einem guten Weg sind.“

Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagte der Deutschen Presse-Agentur am Rande des Neujahrsempfangs des „Hamburger Abendblatts“, es seien vor Weihnachten klare Verabredungen getroffen worden. Hamburg, aber auch Schleswig-Holstein, hätten ein großes Interesse, dass der Hafen funktioniere. „Und deswegen helfen wir mit der Tonne E3. Darüber gibt es eine klare Verabredung und Scharhörn ist vom Tisch“, betonte der Regierungschef. Helgoland und die Tonne E3 gehören zu Schleswig-Holstein.

Auch in Niedersachsen trifft der Vorstoß aus Hamburg auf Unverständnis. „Mich wundert und irritiert der erneute Hamburger Vorstoß sehr“, sagte Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) in einer Mitteilung am Mittwoch. „Alle beteiligten Länder waren sich einig, mit dem weihnachtlichen Schlickfrieden einen guten und wichtigen Schritt in Richtung einer vernünftigen und tragfähigen Lösung gemacht zu haben.“ Daran seien Schleswig-Holstein und Niedersachsen weiterhin interessiert. „Eine Schlickverklappung vor Scharhörn lehnen wir nach wie vor ab“, sagte Meyer.

Niedersachsens Wirtschafts- und Hafenminister Olaf Lies (SPD) sagte zu Tschentschers Vorstoß, dass eine Lösung für das Hamburger Elbschlickproblem auch in einer engeren Zusammenarbeit der norddeutschen Seehäfen liege. „Ich bin übrigens mal wieder überrascht, dass man auf Hamburger Seite, wenn man über Niedersachsen spricht, gefühlt immer erstmal nur an Schlickverklappung denkt“, sagte Lies. „Mein erster Gedanke zur Lösung des Problems sind vielmehr eine gemeinsame Sedimentstrategie und der Einstieg in eine echte, deutsche Hafenkooperation – gerade auch mit Blick auf den einzigen deutschen Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven.“

Kritik auch aus Hamburg

Nicht nur die Nachbarländer Schleswig-Holstein und Niedersachsen lehnen den Vorschlag rundweg ab. Selbst der Grünen-Koalitionspartner in Hamburg geht auf Distanz. Schließlich hätten die zuständigen Fachbehörden Umwelt und Wirtschaft sowie die Senatskanzlei kurz vor Weihnachten gemeinsam mit den Nachbarländern vereinbart, den Schlick zum Seezeichen Tonne E3 bei Helgolandeine zu bringen, sagte Umweltsenator Jens Kerstan am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. „Das sollte man nicht auf's Spiel setzen. Ich fühle mich an diese getroffene Vereinbarung gebunden.“

Die CDU-Opposition in der Hamburgischen Bürgerschaft zeigte sich derweil irritiert. „Die Halbwertszeit der Absprachen des rot-grünen Senats mit unseren Nachbarbundesländern scheint sehr überschaubar zu sein“, sagte CDU-Fraktionschef Dennis Thering. Anders seien die Aussagen nicht nachzuvollziehen. „Hier zeigt sich erneut die miserable Abstimmung des Hamburger Senats mit unseren Nachbarn.“ Mit dieser Vorgehensweise von oben herab werde Tschentscher scheitern. „Statt weitere Sonntagsreden zu halten, sollte der Bürgermeister endlich langfristige Lösungen mit den anderen Ministerpräsidenten und vor allem auch der Ampel im Bund finden und diese dann auch umsetzen.“ (dpa)

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