Diesel aus Abfallstoffen darf ab Mai als Reinkraftstoff getankt werden

FPD und Grüne uneins bezüglich Nutzen und Risiken

Autofahrer werden künftig auch Diesel tanken können, der zu 100 Prozent aus Abfallstoffen wie Frittenfett hergestellt wurde. Dazu hat das Bundeskabinett am Mittwoch den Weg freigemacht. Zuvor hatte Ende März der Bundesrat der entsprechenden Verordnung zugestimmt  Noch im Mai sollen die sogenannten paraffinischen Dieselkraftstoffe (HVO 100), die aus Abfallstoffen und Pflanzenölen bestehen, als Reinkraftstoff zugelassen werden. Bislang durfte diese Art von Kraftstoff nur dann getankt werden, wenn sie dem regulären Dieselkraftstoff beigemischt wurde.

Nutzen und Risiken des Kraftstoffs beurteilen das von den Grünen geführte Umweltministerium und das von der FDP gelenkte Verkehrsressort allerdings unterschiedlich. Zudem haben verschiedene Umweltschutzorganisationen in einem gemeinsamen „Faktencheck“ scharfe Kritik an dem neuen Kraftstoff geäußert.

Verkehrsminister Volker Wissing nannte die Freigabe von HVO 100 einen „wichtigen Schritt für mehr Klimaschutz im Verkehr“. Der Kraftstoff sei besonders hochwertig und nachhaltig. Aus Abfall- und Reststoffen produziertes HVO könne die CO2-Emissionen gegenüber fossilem Diesel um mehr als 90 Prozent reduzieren, sagte der FDP-Politiker. „Der Kraftstoff hat sich in der Praxis bewährt, ist in industriellem Maßstab verfügbar und für moderne Dieselmotoren grundsätzlich geeignet.“ HVO 100 könne einen wirksamen Beitrag leisten, um die Emissionen in der Bestandsflotte zu reduzieren.

Das Bundesumweltministerium argumentiert dagegen, dass HVO-Kraftstoff nicht grundsätzlich nachhaltig sei. „Nur wenn nachhaltige Rohstoffe zur Herstellung eingesetzt werden, ist HVO auch nachhaltig“, heißt es. So könne der Kraftstoff auch aus Palmöl hergestellt werden, das laut Umweltministerium zu Treibhausgasemissionen beitrage und zu großen Verlusten bei der Artenvielfalt. Auch sei es kaum möglich, die bei der Herstellung der Kraftstoffe eingesetzten Rohstoffe nachträglich nachzuweisen. Autofahrer können also an der Zapfsäule nicht wissen, ob sie nachhaltigen Kraftstoff tanken oder nicht.

Laut dem Verkehrsministerium ist nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz Palmöl als Ausgangsstoff von Biokraftstoffen allerdings von der Anrechnung auf die Treibhausgasminderungsquote ausgeschlossen. Insofern bestehe auch kein Anreiz, aus Palmöl produziertes HVO auf den Markt zu bringen.

Auch die Verfügbarkeit des neuen Treibstoffs schätzt das Umweltministerium anders ein, als das Verkehrsministerium. Wie bereits berichtet werden Altspeiseöle – beispielsweise aus der Gastronomie – schon heute vollständig als Beimischung im Verkehr eingesetzt (EUWID 48/2023). Die Mengen können daher nicht beliebig gesteigert werden. „Würde man die vorhandene Menge an nachhaltigem HVO-Diesel als Reinkraftstoff verwenden, reichte sie nur für eine kleine Zahl an Fahrzeugen“, sagte ein Sprecher von Ministerin Steffi Lemke (Grüne). Es bringe für den Klimaschutz folglich keinen zusätzlichen Nutzen, wenige Fahrzeuge mit nachhaltigem Reinkraftstoff zu betanken, anstatt ihn für die gesamte Flotte beizumischen.

Umweltschutzorganisationen äußern scharfe Kritik

Die Deutsche Umwelthilfe, Nabu, der Deutsche Naturschutzring, Greenpeace, Robin Wood und Transport & Environment sehen den neuen Kraftstoff noch viel kritischer. Die Nutzung von Kraftstoffen aus sogenannten Abfall- und Reststoffen geht nach Einschätzung der Organisationen „mit Schäden für Klima und Biodiversität einher“ und erhöhe die „Konkurrenz zwischen den verschiedenen Einsatzgebieten der Ausgangsstoffe“, heißt es in einer gestern veröffentlichten gemeinsamen Mitteilung.

„Ein Großteil der Ausgangsstoffe des sogenannten ,Bio‘-Sprits stammt jedoch aus Monokulturen direkt vom Acker und verbraucht damit Flächen, die für die Nahrungsmittelproduktion genutzt werden könnten. Vorhandene Reststoffe werden zudem bereits anderweitig von der Industrie abgenommen. Stattdessen soll nun Waldrestholz im Tank verbrannt werden. Dies ist ein schwerwiegender Fehler, der Biodiversität, Klimaschutz und Industrie schadet und den Blick auf die eigentlichen Lösungen trübt“, kommentiert Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. (eigener Bericht/dpa)

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