Bundestag beschließt erweiterte Befugnisse für Kartellamt

Änderungswünsche von Remondis nicht berücksichtigt / bvse hofft auf „Wettbewerbsbehörde mit Biss“

Der Bundestag hat gestern die viel diskutierte 11. GWB-Novelle beschlossen. Damit kann das Bundeskartellamt künftig unter bestimmten Bedingungen Maßnahmen gegen Unternehmen ergreifen, wenn im Rahmen von Sektoruntersuchungen Wettbewerbsstörungen festgestellt werden. Bisher war das nur bei festgestellten Kartellrechtsverstößen möglich.

Angesichts dieser deutlich erweiterten Befugnisse gab es im Vorfeld der Beratung im Bundestag viel Kritik aus der Wirtschaft. Remondis forderte etwa, dass die Aufnahme einer Sektoruntersuchung künftig nur mit Zustimmung einer weiteren Instanz, etwa der Monopolkommission, möglich sein soll. Außerdem drängt der Entsorgungskonzern darauf, dass das Kartellamt bei der Betrachtung der Abfallmärkte künftig auch die umfangreichen Aktivitäten kommunaler Unternehmen berücksichtigt.

Der Wunsch nach einer Beteiligung der Monopolkommission kamen die Abgeordneten des Bundestages bei ihrer Abstimmung zur GWB-Novelle zwar nicht nach. Dennoch passten sie auf Empfehlung des Wirtschaftsausschusses die Regelungen zu Sektoruntersuchungen an einigen Stellen an. Damit sollen die kartellbehördliche Eingriffsschwelle erhöht und der Rechtsschutz der Unternehmen ausgeweitet werden. So sollen Maßnahmen nur gegen solche Unternehmen angeordnet werden dürfen, die neben ihrem Verhalten auch zusätzlich durch „ihre Bedeutung für die Marktstruktur“ zur erheblichen und fortwährenden Wettbewerbsstörung beitragen.

Mit dieser Formulierung sei der Mittelstand vollständig vor derartigen Maßnahmen geschützt, erklärte die FDP, die bei den Beratungen des Gesetzes im Wirtschaftsausschuss auch die Einführung eines Verschuldenserfordernisses für betroffene Unternehmen befürwortet hatte. Wichtig sei, dass sich das novellierte GWB nicht gegen die Unternehmen richte, sondern auf mehr Wettbewerb ausgerichtet sei. Im Übrigen könnten auch hohe Preise zu mehr Wettbewerb führen, indem etwa die dort erzielten Renditen die Attraktivität eines Marktes für weitere potenzielle Anbieter steigern würden, argumentiert die FDP.

Bei den Beratungen im Wirtschaftsausschuss des Bundestages wurden auch bei den möglichen Maßnahmen die Regelungen im Detail etwas entschärft. Das neue Instrumentarium sieht vor, dass das Kartellamt Unternehmen unter bestimmten Bedingungen dazu verpflichten kann, jede Übernahme in dem betreffenden Wirtschaftszeig anzumelden, auch wenn die sonst gültige Umsatzschwelle von 17,5 Mio € nicht erreicht wird. Dennoch ist auch hier eine Mindestgröße des zu erwerbenden Unternehmens vorgesehen. Im ursprünglichen Regierungsentwurf wurde diese mit „500.000 € Jahresumsatz“ definiert. Durch die Abstimmung im Bundestag wurde diese nun auf „Umsatzerlöse im Inland von mehr als einer Million €“ erhöht.

Außerdem sollte das Bundeskartellamt die Anordnung zur erweiterten Anmeldepflicht von Zusammenschlüssen ursprünglich beliebig oft – jeweils um drei Jahre – verlängern können. Die Abgeordneten begrenzten diese Verlängerungsmöglichkeit nun auf maximal drei Mal drei Jahre.

Kartellamtspräsident Andreas Mundt begrüßte die Verabschiedung der GWB-Novelle. Die neuen Eingriffsmöglichkeiten für seine Behörde könnten dazu beitragen, Wettbewerb und Innovationen auf verkrusteten oder vermachteten Märkten wieder zu ermöglichen, erklärte er auf Twitter. „Mit der Anwendung der Vorschriften werden wir uns auf neues Terrain begeben, mit vielen neuen Rechtsfragen. Das Verfahren ist sehr komplex, bietet den betroffenen Unternehmen umfangreiche Rechtsschutzmöglichkeiten und unterliegt sehr hohen Nachweisanforderungen. Verfahren werden wohl Jahre dauern. Wir hoffen, dass wir dafür die notwendigen Ressourcen erhalten.“

Zustimmung zur Änderung des Wettbewerbsrechts kommt auch vom Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung. „Die GWB-Novelle macht aus dem Bundeskartellamt jetzt eine Wettbewerbsbehörde mit Biss, denn sie erhält einen völlig neuen Instrumentenkasten, um gegen Störungen des Wettbewerbs vorzugehen“, erklärte bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock in einer ersten Reaktion. Die Möglichkeiten zur missbrauchsunabhängigen Entflechtung könnten auch in der mittelständisch geprägten Recycling- und Entsorgungsbranche für einen fairen Wettbewerb sorgen und offene Märkte schaffen.

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