EU-Parlament stimmt für mehr Herstellerverantwortung bei Textilien und für Reduzierung von Lebensmittelabfällen

Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments haben am Mittwochnachmittag in Straßburg in erster Lesung ihren Standpunkt zur vorgeschlagenen Überarbeitung der EU-Abfallrahmenrichtlinie angenommen. Eine breite Mehrheit unterstützte den Gesetzesentwurf mit 514 Ja-Stimmen, 20 Nein-Stimmen und 91 Enthaltungen in der Schlussabstimmung. Der vom Plenum des Parlaments angenommene Text ist gegenüber dem vom Umweltausschuss im Februar angenommenen Bericht unverändert. Die wenigen Änderungsanträge der Linken, der Grünen/EFA- und der EKR-Fraktion wurden abgelehnt, während die Änderungsanträge des federführenden Ausschusses alle die erforderliche Mehrheit erhielten.

Das Parlament hat den zielgerichteten Ansatz des ursprünglichen Kommissionsvorschlags beibehalten, mit einem engen Fokus auf die Ströme von Lebensmittelabfällen und Alttextilien. Zu den wenigen Bestimmungen, die nicht in diese Bereiche fallen, gehört ein Zusatz, der besagt, dass die Mitgliedstaaten „ermutigt werden sollen, eine getrennte Sammlung für Holz einzurichten“. Ebenso sollten die Mitgliedstaaten „gegebenenfalls ermutigt werden“, eine vorherige Sortierung gemischter Siedlungsabfälle einzuführen, um zu verhindern, dass Material, das wiederverwendet oder recycelt werden könnte, auf Deponien oder zur Verbrennung gebracht wird.

Änderungsanträge mit einer verbindlicheren Formulierung zur Vorsortierung, die eine Koalition aus Umweltgruppen und Unternehmen der Sortiertechnik- und Recyclingbranche im Vorfeld der Ausschussabstimmung im Februar unterstützt hatte, fanden keinen Eingang in den Bericht des Ausschusses und wurden für die Plenarsitzung nicht erneut vorgelegt.

Anwendungsbereich der EPR für Textilien soll auch bestimmte Teppiche und Matratzen umfassen

Der Text des Parlaments zur Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie sieht die Einführung eines Systems der erweiterten Herstellerverantwortung (EPR) für Textilien vor. Im Einklang mit dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission müssten die Textilhersteller die Kosten für das getrennte Sammeln, Sortieren und Recyceln von Produkten wie Kleidung und Accessoires, Decken, Bettwäsche, Vorhängen, Hüten und Schuhen, einschließlich Produkten, die textilverwandte Materialien wie Leder, Kunstleder, Gummi oder Kunststoff enthalten, übernehmen. Das Parlament hat jedoch den Anwendungsbereich der Produkte, die unter die EPR fallen würden, erweitert und eine Änderung gebilligt, nach der die Hersteller bis zum 31. Dezember 2027 auch für die Entsorgung von Teppichen und Matratzen verantwortlich sind, die hauptsächlich aus Textilien bestehen.

Während die Kommission geplant hatte, den Mitgliedstaaten 30 Monate für die Einrichtung von EPR-Systemen für Textilien einzuräumen, stimmte das Parlament dafür, die Frist auf 18 Monate nach Inkrafttreten der Überarbeitung festzulegen. Die Mitgliedstaaten hätten ein Jahr Zeit, um die überarbeitete Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Der ursprüngliche Zeitplan für die Umsetzung war auf 18 Monate festgelegt worden.

Ausnahmeregelungen für Kleinstunternehmen unverändert

Wie von der Kommission vorgeschlagen, bleiben Kleinstunternehmen von der EPR-Verpflichtung für Textilien ausgenommen. Diese Entscheidung wurde vom Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft kritisiert. Der BDE ist der Meinung, dass der Text zu viele Ausnahmen enthält, damit das künftige EPR-System für Textilien wirksam sein kann.

Auch der europäische Dachverband der Recyclingindustrie Euric stellte im vergangenen Herbst fest, dass die Ausnahmeregelung für Kleinstunternehmen Fragen aufwirft, da kleinere Unternehmen nicht von anderen EPR-Systemen auf EU-Ebene ausgenommen wurden, wie z. B. von denen für Verpackungen, Elektroschrott oder Altfahrzeuge. Diese Unternehmen, die weniger als zehn Beschäftigte haben, machten immerhin 88 Prozent der Akteure in diesem Sektor aus. „Wir sind der festen Überzeugung, dass alle Hersteller, unabhängig von ihrer Größe, zumindest verpflichtet sein sollten, die von ihnen in Verkehr gebrachten Mengen zu registrieren und zu melden“, so Euric.

EEB und ZWE kritisieren Verzicht auf verbindliche Zielvorgaben

Die Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz hatte beantragt, nationale Ziele für die Wiederverwendung von Textilien, das Recycling und die Reduzierung von Textilabfällen einzuführen. Die Fraktion wies darauf hin, dass sich das Parlament in seiner Entschließung zur EU-Textilstrategie zur Festlegung solcher Ziele verpflichtet habe. Die Abgeordneten beschlossen stattdessen am Mittwoch, den Ansatz des Umweltausschusses zu unterstützen. Die Kommission soll daher nun bis zum 30. Juni 2025 die angemessenen Niveaus für solche Zielvorgaben im Jahr 2032 bewerten, „einschließlich der Sammelquoten, des Niveaus der Sammelquoten, der Vorbereitung für die Wiederverwendung, der Wiederverwendung, des Recyclings von Textilien und der Beendigung der Deponierung von Textilien“. Diese Bewertung soll erforderlichenfalls von einem Legislativvorschlag begleitet werden und auch eine Analyse des Umfangs der Ausfuhren von Alttextilien in Drittländer und der Ausweitung der Verantwortung der Hersteller auf diese Ausfuhren umfassen.

Das Fehlen verbindlicher Zielvorgaben für die Vermeidung von Textilabfällen und die Abfallbewirtschaftung war eine der Schwächen des Vorschlags, auf die Umwelt-NGOs wie das Europäische Umweltbüro (EEB) hingewiesen hatten. In einer Reaktion auf die Abstimmung am Mittwoch kritisierte Emily Macintosh, Senior Policy Officer für Textilien beim EEB, die getroffene Regelung als zu vage und den Zeitplan für zu wenig ambitioniert. Zwar hätten die Abgeordneten die Auswirkungen der EU-Exporte gebrauchter Textilien in Drittländer anerkannt, doch hätten sie es versäumt, einen echten Rahmen für eine globale Rechenschaftspflicht festzulegen, um sicherzustellen, dass die finanzielle Unterstützung die Länder erreiche, die die Hauptlast des übermäßigen Textilverbrauchs in Europa zu tragen hätten, fügte sie hinzu.

Zero Waste Europe (ZWE) begrüßt zwar die kürzeren Umsetzungsfristen. Doch das Fehlen von Zielvorgaben sei nach wie vor ein großes Manko. „Die Verzögerung bei der Festlegung von Zielen bedeutet, dass es für die Hersteller wenig bis gar keinen Anreiz gibt, in die Infrastruktur für Wiederverwendung und Recycling zu investieren“, kritisiert ZWE-Vertreterin Theresa Mörsen.

Der Naturschutzbund Deutschland begrüßt, dass das EU-Parlament auch Anreize gegen die Überproduktion von Textilien setzt, indem die von den Herstellern zu zahlenden Gebühren nicht nur an das Gewicht, sondern auch an die Menge der auf den Markt gebrachten Waren gekoppelt werden soll. „Auch dass Hersteller Maßnahmen zur Reparatur- und Wiederverwendung finanzieren müssen, geht in die richtige Richtung“, erklärt Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.

„Wir brauchen starke finanzielle Anreize, weniger Textilien in besserer Qualität zu produzieren. Die Vorschläge vom Parlament müssen unbedingt in den weiteren Verhandlungen zur EU-Abfallrahmenrichtlinie mit den Mitgliedstaaten berücksichtigt werden“, fordert Nabu-Textilexpertin Anna Hanisch. Die erweiterte Herstellerverantwortung brauche man aber auch für bisher vernachlässigte Abfallströme wie Matratzen oder Möbel, die momentan zum großen Teil in die Verbrennung gingen.

Garantierte Teilnahme an der Textilsammlung für Sozial- und Kommunalunternehmen

Während seiner Arbeit an dem Gesetzesvorhaben hat das Europäische Parlament Aspekte des ursprünglichen Vorschlags, die kommerzielle Textilrecycler betreffen, unberührt gelassen. Der Kommissionsvorschlag sieht außerdem bestimmte Privilegien für Sozialunternehmen vor, denen die Teilnahme an den Sammelsystemen von den Organisationen der Herstellerverantwortung (PRO) gestattet werden muss und die eine „Gleichbehandlung oder Vorzugsbehandlung in Bezug auf den Standort dieser Sammelstellen“ erhalten müssen und nicht verpflichtet werden können, ihre gesammelten Mengen an die PRO abzugeben. Hier ging das Parlament noch einen Schritt weiter und räumte auch kommunalen Einrichtungen und Unternehmen das Recht ein, sich an den Sammlungen zu beteiligten und die dabei von ihnen erfassten Mengen zu behalten.

Der Verband kommunaler Unternehmen begrüßt ausdrücklich, dass das EU-Parlament in seiner Position auch die kommunalen Abfallwirtschaftsunternehmen als relevante Akteure anerkennt. „Wichtig bleibt weiterhin, dass die gesamte kommunal-gemeinnützige Sammelstruktur durch die Hersteller finanziell unterstützt wird und dies auch im nächsten Schritt der Ministerrat so sieht“, erklärt VKU-Vizepräsident Patrick Hasenkamp in einer Stellungnahme des Verbandes.

Für begrüßenswert hält der VKU auch, dass das Parlament die Umsetzungsfrist um ein Jahr gegenüber dem Kommissionsvorschlag verkürzen will. „Denn durch die Europawahl verzögern sich die Verhandlungen in diesem Gesetzgebungsprozess bereits um Monate und mit der kommenden Getrenntsammlungspflicht 2025 brauchen die kommunalen Abfallwirtschaftsunternehmen baldmöglichst Planungssicherheit“, betont Hasenkamp.

Parlament unterstützt Reduktionsziele für Lebensmittelabfälle

In Bezug auf Lebensmittelabfälle unterstützt das Parlament verbindliche Reduktionsziele für 2030, die auf 20 Prozent in der Lebensmittelverarbeitung und -herstellung und auf 40 Prozent pro Kopf im Einzelhandel, in der Gastronomie, bei Lebensmitteldienstleistungen und in Haushalten festgelegt werden. Diese Ziele sind jeweils zehn Prozentpunkte höher als die von der Kommission vorgeschlagenen Vorgaben. Änderungsanträge der Linken und der Grünen/EFA, die eine 50-prozentige Senkung gegenüber den durchschnittlichen Werten des Zeitraums 2020 bis 2022 gefordert hatten, wurden hingegen vom Plenum abgelehnt. Stattdessen soll die Kommission die Einführung von Reduktionszielen in Höhe von 30 Prozent für die Lebensmittelverarbeitung und von 50 Prozent für den Einzelhandel, das Gaststättengewerbe, die Lebensmitteldienstleistungen und die Haushalte ab dem Jahr 2035 prüfen und dazu bis Ende 2027 einen Bericht und gegebenenfalls einen Legislativvorschlag vorlegen.

Die zuständige Parlamentsberichterstatterin Anna Zalewska, eine polnische Abgeordnete der Mitte-Rechts-Fraktion EKR, hob nach der Abstimmung im Plenum die „gezielten Lösungen zur Verringerung der Lebensmittelverschwendung“ hervor. Dazu gehörten etwa die Förderung von „hässlichem“ Obst und Gemüse, die Überwachung unlauterer Marktpraktiken, die Klärung der Datumsangaben und die Spende unverkaufter, aber noch verbrauchsfähiger Lebensmittel.

Außerdem wies Zalewska darauf hin, dass die geplanten EPR-Pflichten für Textilerzeugnisse auch für Online-Verkäufer gelten sollen. Die Anbieter von Online-Plattformen müssten so künftig sicherstellen, dass sich die Verkäufer von Textilprodukten in das entsprechende Erzeugerregister eintragen lassen, das online und kostenlos für die Öffentlichkeit zugänglich sein muss.

Gesetzgebungsverfahren geht erst nach EU-Wahlen weiter

Hätte die Abstimmung zu einem früheren Zeitpunkt in der Legislaturperiode stattgefunden, wäre der nächste Schritt im Verfahren die Aufnahme von interinstitutionellen Gesprächen gewesen, die zu einem Trilog-Kompromiss führen sollen. Anfang Juni finden jedoch Europawahlen statt, und der Rat muss sich noch auf ein Mandat für Trilog-Gespräche einigen. Das Gesetzespaket steht zwar auf der Tagesordnung für die nächste Sitzung des Umweltrates am 25. März. EUWID wurde jedoch Anfang des Jahres mitgeteilt, dass die Annahme einer „allgemeinen Ausrichtung“ nicht vor der Ratssitzung am 17. Juni und somit erst nach den Europawahlen zu erwarten sei. Die Ergebnisse der Parlamentsabstimmung vom Mittwoch müssen somit von den Mitgliedern des neu gewählten Parlaments nach ihrer Amtseinführung wieder aufgegriffen werden.

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