Wirtschaft kritisiert Sonderabgabe auf Einweg-Kunststoffprodukte

Verbände: Staatliche Abgabe kommt zur Unzeit und verursacht unnötige Bürokratie

Die Bundesregierung hat heute den Gesetzentwurf für den Einwegkunststofffonds beschlossen. Danach sollen Hersteller von bestimmten Einweg-Kunststoffprodukten künftig Sonderabgaben in einen vom Umweltbundesamt verwalteten staatlichen Fonds einzahlen. Das Geld soll an Kommunen fließen, um Reinigungs- und Entsorgungskosten im öffentlichen Raum zu finanzieren. Der Entwurf hatte kürzlich das Notifizierungsverfahren der EU durchlaufen.

Sieben Wirtschaftsverbände aus Handel und Industrie kritisieren den Beschluss der Regierung für das Einwegkunststofffondsgesetz, das nach bisherigen Schätzungen jährliche Abgaben von über 450 Mio € erfordern würde. Sie halten allenfalls 175 Mio € im Jahr für gerechtfertigt. Der Vorschlag einer Sonderabgabe komme zur Unzeit, weil die deutsche Wirtschaft vollständig damit ausgelastet sei, den Betrieb trotz explodierender Energiepreise aufrecht zu erhalten und damit für den Erhalt von hunderttausenden von hochbezahlten Arbeitsplätzen zu sorgen, erklärten die Verbände heute in einer gemeinsamen Mitteilung. So widerspreche die heutige Entscheidung dem am 29. September 2022 von der Bundesregierung beschlossenen „Belastungsmoratorium“ zur Vermeidung unverhältnismäßiger Bürokratie in der aktuellen Krise. Die Verbände fordern deshalb, den Vorschlag zurückzustellen oder zumindest so bürokratiearm wie möglich auszugestalten.

„Unnötige Bürokratiekosten“

Kritisiert wird von den Wirtschaftsvertretern weiterhin, dass der Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Vorgaben unnötige Bürokratiekosten für Unternehmen verursache. Die sieben Verbände hatten bereits im März 2021 eine privatwirtschaftliche Umsetzung der erweiterten Herstellerverantwortung vorgeschlagen. „Unser Vorschlag hat gegenüber dem aktuellen Gesetzentwurf den Vorteil, dass er die Unternehmen erheblich weniger belastet, weil die Umsetzung – wie in anderen EU-Mitgliedstaaten auch - in die Hände der betroffenen Wirtschaftsbranchen gelegt wird“, erläutert Antje Gerstein, Geschäftsführerin des Handelsverbands Deutschland (HDE). Anders als bei der geplanten Sonderabgabe seien im privatwirtschaftlichen Modell keine neuen 30 Planstellen im Umweltbundesamt (UBA) erforderlich und es müssten keine Doppelstrukturen geschaffen werden, weil die Registrierung zum Großteil auf die bereits vorhandenen Daten der Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR) aufbauen könnte.

Erneut kritisieren die Wirtschaftsvertreter auch, dass Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt eine zentrale Rolle bei der Umsetzung des Gesetzes spielen wollen. „Die EU-Regeln sehen vor, dass die umzulegenden Kosten „zwischen den betroffenen Akteuren“ festgelegt werden, also zwischen Wirtschaft und Kommunen“, erklärt Martin Engelmann, Hauptgeschäftsführer der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen. „Nach dem aktuellen Vorschlag sollen die Kosten dagegen allein vom Umweltministerium festgelegt werden. Und das UBA soll festlegen können, wer wofür zahlen soll. Das hat nichts mehr mit dem Prinzip der Herstellerverantwortung zu tun“, kritisiert Engelmann.

Umwelt- und Verbraucherverbände keine „betroffenen Akteure“

Die Verbände halten die im Gesetzentwurf vorgesehene Einweg-Kunststoff-Kommission für „zu schwach“, um die Stimme der Wirtschaft wirksam zu vertreten. „Laut Kabinettsbeschluss soll die Kommission lediglich eine beratende Funktion bei der Festsetzung der Abgabensätze haben. Das ist eindeutig zu wenig. Eine 1:1-Umsetzung erfordert eine Kommission mit echten Entscheidungsbefugnissen“, fordert Andreas Gayk, Geschäftsführer des Markenverbands. Auch um die geplante Besetzung der Kommission gibt es Streit. „Umwelt- und Verbraucherverbände sind keine „betroffenen Akteure“ entsprechend den EU-Vorgaben. Stimmberechtigte Mitglieder der Kommission dürfen daher nur Vertreter der betroffenen Wirtschaft und Kommunen in paritätischer Besetzung sein. Nur so kann ein hohes Maß an Akzeptanz bei den Betroffenen geschaffen werden“, so Gayk.

Unklar ist derzeit noch, wie hoch die Sonderabgabe ausfallen wird. Dazu soll es noch eine Verordnung geben. Ein noch nicht abgeschlossenes Gutachten für das Umweltbundesamt war auf eine Summe von über 450 Mio € im Jahr gekommen. „Es ist – gerade in diesen Zeiten - inakzeptabel, dass aus dem Gesetzentwurf nicht hervorgeht, in welcher Höhe Wirtschaft und Verbraucher belastetet werden sollen“, erklärt Jan Mücke, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse (BVTE). Mücke zufolge müsse die noch ausstehende Ermittlung der umzulegenden Kosten allein auf Basis des Gewichts erfolgen. Vorschlägen, zusätzlich auch die Stückzahl und das Volumen mit zu berücksichtigen, erteilte er eine Absage. „Die Ausweitung auf andere Kostenparameter außer Gewicht ist nicht praxisgerecht und würde zu einer massiven Überdeckung der tatsächlichen Kosten der Kommunen führen. Der Kostenanteil muss in einem konkreten Verhältnis zu den Abfallmengen stehen, daher halten wir Beträge, die über den gewichtsmäßigen Anteil von 175 Mio € pro Jahr hinausgehen, für nicht gerechtfertigt“, stellt Mücke fest.

Kritisiert wird schließlich auch die Abgabenpflicht für pfandpflichtige Einweg-Getränkeflaschen, obwohl in Deutschland das Pfandsystem die Gefahr der Vermüllung durch Getränkeflaschen aus Kunststoff stark reduziert. Nach letzten Erhebungen werden über 96 Prozent aller Einwegpfand-Flaschen aus Kunststoffen zurückgegeben. „Gleichwohl will der Vorschlag auch bepfandete Flaschen mit einer Sonderabgabe belegen“, kritisiert Peter Feller, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE). Zwar sei es ein Schritt in die richtige Richtung, dass der Vorschlag niedrigere Abgabensätze für pfandpflichtige als für unbepfandete Flaschen vorsehe. „Das genügt jedoch nicht: Für Hersteller von bepfandeten Getränkeflaschen bedeuten die Registrierung, Meldung und Abwicklung einen erheblichen bürokratischen Aufwand. Dieser Aufwand steht völlig außer Verhältnis zu der angedachten sehr niedrigen Abgabenhöhe“, kritisiert Feller. Er forderte eine Bagatellgrenze, wonach Produkte, die weniger als ein Prozent des Abfallaufkommens ausmachen, von den Vorgaben ausgenommen werden.

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