Wert von Althandys könnte Materialbedarf für neue Smartphones ein Jahrzehnt lang decken

IW-Studie legt Rohstoffpotential durch Urban Mining offen

In deutschen Schubladen lagerten im Jahr 2022 etwa 210 Mio Handys mit einem Gesamtmetallwert von rund 240 Mio € ungenutzt. Das ist mehr als das Zehnfache vom Materialwert der im Jahr 2021 verkauften Smartphones. Dieser lag laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) bei 23,5 Mio €. Die Kölner Forschungseinrichtung hatte letzte Woche dazu den Bericht „Urban Mining für eine zirkuläre Wirtschaft: Wie hoch sind die Rohstoffpotenziale durch Urban Mining?“ veröffentlicht. In der Studie gehen die Autoren auf drei Trends ein: Wachsender Konsum von Elektrogeräten, steigendes Abfallaufkommen und ein erhöhter weltweiter Rohstoffbedarf.

Die Wissenschaftler weisen allerdings darauf hin, dass nicht alle Handys, die in deutschen Schubladen schlummern, einem Recycling zugeführt werden können und zudem auch nicht komplett wiederverwertbar seien. Außerdem kann laut Britta Bookhagen von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) nur sehr schwer abgeschätzt werden, ob und wann die Rohstoffe zurückkommen.

Bedarf an technischen Geräten in letzten Jahren enorm gestiegen

Die Bürger in Deutschland haben in den vergangenen Jahren ihren Bedarf an technischen Geräten deutlich erhöht. So besaßen 2017 lediglich rund 43 Prozent der privaten Haushalte ein Tablet, im Jahr 2022 stieg dieser Wert deutlich auf 55 Prozent. Inzwischen hat fast jeder deutsche Hausstand ein Handy oder Smartphone, so das IW. Drei von vier Haushalten haben sogar einen Laptop oder ein Notebook, ergänzt das Institut – ein Anstieg von fast fünf Prozentpunkten.

Gleichzeitig hat sich innerhalb von zwei Jahren auch die Anzahl der Schubladenhandys um mehr als fünf Prozent erhöht. „Dieser starke Zuwachs ungenutzter Geräte in den Haushalten zeigt, dass der steigende Besitz von Smartphones nach der Nutzung zu einer größeren Menge an nicht mehr eingesetzten Geräten führt und bislang überwiegend noch nicht den Weg zurück in die entsprechenden Kreisläufe zur Wiedernutzung, -aufbereitung oder -verwertung findet“, fassten die Wirtschaftswissenschaftler zusammen. Die Kreislaufwirtschaft stehe hier noch am Anfang.

Unter 20 Prozent des E-Schrotts wird weltweit eingesammelt

Laut dem Bericht werden weltweit nur rund 17 Prozent des Elektroschrotts eingesammelt und recycelt. Über 80 Prozent der E-Schrottströme seien nicht erfasst. Folglich gehen jährlich Schätzungen zufolge wertvolle Metalle wie Gold, Silber und Platin im Wert von 57 Mrd € unter anderem durch Verbrennen oder Deponieren verloren. Diese Summe entspricht ungefähr dem Bruttoinlandsprodukt von Uruguay oder der Demokratischen Republik Kongo. Insgesamt machen Eisen und Kupfer über 60 Prozent des Gesamtwertes der im E-Schrott enthaltenen Materialien aus.

Auch in Deutschland lag die Sammelquote für alte Elektrogeräte im Jahr 2020 bei lediglich rund 44 Prozent, somit wurde das Sammelziel der EU von 65 Prozent deutlich verfehlt.

Parallel zur eher geringen weltweiten Sammelmenge steigt allerdings der globale Rohstoffbedarf weiter stark an. Auch die Weltbevölkerung wird laut Prognosen der UN von aktuell mehr als acht Mrd Menschen auf bis zu zehn Mrd Erdbewohner im Jahr 2050 ansteigen. Es zeichnet sich daher eine Diskrepanz zwischen den benötigten und verfügbaren Mengen dieser Rohstoffe ab, erwarten die Forscher. Hier kann vom Menschen erschaffener Materialbestand wie beispielsweise langlebige Konsumgüter, Fahrzeuge oder Industrieanlagen, die sogenannten „anthropogenen Lager“, bei der Ressourcensicherheit helfen.

Besonders der Rohstoff Lithium wird in enorm hohen Mengen benötigt. Inzwischen wird das Element mehr für den Bau von Elektrofahrzeugen und Batteriespeichern als für die Herstellung von Unterhaltungselektronik gebraucht.

Europas größtes Vorkommen an seltenen Erden in Nordschweden entdeckt

In der EU gibt es allerdings aktuell große Hoffnungen, der Rohstoffknappheit Herr zu werden. Im schwedischen Norden sind Anfang Mitte Januar bedeutende Vorkommen an seltenen Erden entdeckt worden. Das teilte der staatliche Bergbaukonzern LKAB mit. In der Nähe von Kiruna wurden über eine Mio Tonnen an Seltenerdoxiden gefunden. Es handle sich um die größte bekannte Lagerstätte dieser Art in Europa.

Wie groß die Vorkommen im Vergleich zu anderen Nationen außerhalb Europas sind, lässt sich Jan Moström, Vorstandschef von LKAB, zufolge nur schwer einschätzen. Grund sei, dass ein Großteil des Abbaus derzeit in China erfolge und die Größe der dortigen Vorkommen unklar sei, sagte er bei einer Pressekonferenz in Kiruna. Klar sei aber, dass es sich bei der Lagerstätte in Schweden auch im internationalen Vergleich um eine große handele. Mit Blick auf andere Genehmigungsverfahren in der Industrie dürfte es jedoch mindestens zehn bis 15 Jahre dauern, bevor man tatsächlich mit dem Abbau beginnen und Rohstoffe auf den Markt bringen könne. Kurz- und mittelfristig hilft diese Entdeckung folglich nicht, der Rohstoffknappheit in Europa beizukommen.

Des Weiteren hat die EU-Kommission im Januar Maßnahmen vorgeschlagen, mit denen die strategische Autonomie Europas in Bezug auf kritische Rohstoffe gestärkt werden soll. Andererseits könne es keinen ökologischen und digitalen Wandel geben. Bei wichtigen Batterien sei man zu 100 Prozent von Importen abhängig, sagte Schwedens christdemokratische Energie- und Wirtschaftsministerin Ebba Busch. Man sehe den geplanten Vorschlägen der Kommission mit großen Erwartungen entgegen.

VDI: „Rohstoffabhängigkeit von China durch mehr Recycling verringern“

Auch beim Verein Deutscher Ingenieure (VDI) blickt man hoffnungsvoll nach Schweden. „Auch wenn die Exploration dieser Vorkommen noch einige Jahre Vorlauf benötigt, wird sie einen wichtigen Beitrag zur Verringerung der Abhängigkeit leisten“, so der Verband. Die deutsche Wirtschaft ist aktuell sehr abhängig von Rohstoffimporten aus China. Derzeit stammen etwa 45 Prozent der deutschen Importe von Seltenen Erden aus dem Reich der Mitte, so der VDI.

„Um die Abhängigkeit von China zu verringern, muss die EU den Bezug kritischer Rohstoffe diversifizieren, mehr aus eigenen Lagerstätten fördern, mehr Sekundärmetalle durch Recycling gewinnen oder durch Werkstoffentwicklungen Alternativen zu den Metallen finden“, so Christian Hopmann, Vorsitzender der VDI-Gesellschaft Materials Engineering.

Außerdem forderte der Verband eine größere Widerstandsfähigkeit in Deutschland gegen große Krisen wie die Corona-Pandemie oder wirtschaftliche Folgen von Kriegen. Es gehe vor allem darum, im Falle von Instabilität wieder ein gutes Gleichgewicht zu finden.

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