Verband der Altholzverwerter empfiehlt Klagen gegen Gewinnabschöpfung

Brennstoffpreise höher als verbleibende Erlöse / Keine Rückwirkung

Angesichts der existenzbedrohenden Pläne der Bundesregierung zur Gewinnabschöpfung bei Stromerzeugern empfiehlt der Bundesverband der Altholzaufbereiter und -verwerter (BAV) seinen Mitgliedern zu klagen. Zunächst sollten die Unternehmen jedoch die für ihre Anlagenstandorte zuständigen Abgeordneten im Vorfeld der Bundestagsentscheidung am 15. Dezember auf die Auswirkungen des Gesetzesvorhabens hinweisen.

Zuvor hatte der Verband bereits in Schreiben an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Mitglieder der Regierungskoalition vor den weitreichenden Folgen der geplanten Gewinnabschöpfung für die betroffenen Biomassekraftwerke gewarnt. In der momentan energiewirtschaftlich extrem schwierigen Situation drohe durch die Erlösabschöpfung bei den Altholz einsetzenden Kraftwerken deren kompletter Ausfall bei der Strom- und Wärmeerzeugung.

In einem aktuellen Schreiben an seine Mitgliedsunternehmen zeigt der BAV anhand von Beispielrechnungen die Effekte der geplanten Gewinnabschöpfung für Altholzkraftwerke auf. So bleiben für ausgeförderte Anlagen bei einem Börsenstrompreis von 200 € pro Megawattstunde lediglich etwas mehr als 100 € übrig. Die Brennstoffpreise seien jedoch teilweise schon höher als dieser Betrag, erklärt der Verband mit Verweis auf die gestiegenen Altholzpreise. Laufende Betriebskosten der Anlagen könnten somit nicht mehr gedeckt werden, so dass Insolvenzen drohen. Das gelte auch für geförderte Anlagen, bei denen nach Berechnungen des BAV durch die Abschöpfung nur noch rund 125 € pro Megawattstunde hängen bleiben.

Rechtsgutachten: Gewinnabschöpfung verstößt gegen EU-Recht und Verfassung

Auch von anderer Seite kommt heftige Kritik an den Plänen der Regierung zur Gewinnabschöpfung bei der Stromerzeugung. Der Gesetzentwurf verstoße gegen EU-Recht und verletze die Eigentumsgarantie, teilte der Hamburger Energieversorger Lichtblick mit Verweis auf ein in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten mit. In diesem werde vor allem die von der Regierung geplante Abschöpfung „fiktiver Erlöse“ kritisiert. Dies sei nach der EU-NotfallVO unzulässig, da hier nur die Abschöpfung „realisierter“ Erlöse vorgesehen sei.

Bei Lichtblick geht man nach Inkrafttreten der Erlösobergrenze von einer Klagewelle aus. „Die Bundesregierung wiederholt die rechtlichen Fehler, die Ende September bereits die Gasbeschaffungsumlage zu Fall gebracht haben, und versucht erneut, eine verfassungswidrige Sonderabgabe zu etablieren. Auch wir prüfen die Möglichkeit, in Luxemburg und Karlsruhe gegen den Erlösdeckel zu klagen. Wenn Brüssel und Berlin kein Einsehen haben, bleibt der Branche nur dieser Weg“, kündigt der Chefjurist des Stromanbieters, Markus Adam, an.

Die Bundesregierung hatte in der vergangenen Woche den in großen Teilen schon bekannten Gesetzesentwurf zur Einführung einer Strompreisbremse vorgestellt und den Verbänden gerade mal einen halben Tag zur Stellungnahme eingeräumt. Insbesondere die Abschöpfung von Überschusserlösen sorgte dabei für großen Unmut. Demnach müssen Betreiber von Stromerzeugungsanlagen 90 Prozent der im jeweiligen Abrechnungszeitraum mit der Stromerzeugungsanlage erwirtschafteten Überschusserlöse zahlen. „Die übrigen zehn Prozent verbleiben beim Erzeuger, um Anreize für effizientes Verhalten am Markt zu erhalten“, heißt es in dem Regierungsentwurf.
Kabinett streicht rückwirkende Abschöpfung

Zudem sollte die Regelung rückwirkend ab dem 1. September 2022 gelten. Spätestens ab diesem Datum konnten die Anlagenbetreiber nicht mehr darauf vertrauen, dass sie ihre Überschusserlöse behalten können, begründete die Bundesregierung zunächst die rückwirkende Regelung. Nach Befassung im Bundeskabinett und vermutlich als Reaktion auf die Proteste wurde die Rückwirkung Ende der Woche jedoch gestrichen. Der Starttermin ist nun für den 1. Dezember vorgesehen.

Die Laufzeit der Abschöpfung ist zunächst bis zum 30. Juni 2023 befristet, kann aber zu einem späteren Zeitpunkt durch Rechtsverordnung verlängert werden, laut dem jüngsten Entwurf aber maximal nur noch bis Ende April 2024. Hier war zunächst noch eine mögliche Verlängerung bis Ende Dezember 2024 vorgesehen.

„Die Abschöpfung wird so ausgestaltet, dass einerseits ein angemessener Erlös zum wirtschaftlichen Betrieb der Anlagen gewährleistetet, andererseits ein substanzieller Beitrag zur Entlastung für die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der Wirtschaft geleistet wird. Adressiert werden nur Gewinne in einer Höhe, mit der niemand gerechnet hat“, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium nach der Kabinettsbefassung am vergangenen Freitag. Mit der Abschöpfung dieser Zufallsgewinne setze die Bundesregierung verbindliches EU-Recht um.

Kleinanlagen sowie Steinkohle, Erdgas und Biomethan von Abschöpfung nicht betroffen

Entsprechend der europäischen Verordnung müssen die Gewinne bei Anlagen, die erneuerbare Energiequellen zur Stromerzeugung nutzen, Abfallverbrennungsanlagen, Kernkraftwerken, Braunkohlekraftwerken und Anlagen zur Verwertung von Raffinerie-Rückständen abgeschöpft werden. Nicht betroffen sind hingegen neben Speichern auch Steinkohle- und Erdgaskraftwerke sowie Biomethan-Anlagen. Auch bei Anlagen, die leichtes Heizöl verbrennen oder Sondergase wie Gichtgas, Hochofengas, Kokereigas, die in Produktionsprozessen der Chemie- und Rußindustrie anfallen, werden keine Gewinne abgeschöpft. Außen vor bleiben ebenfalls kleinere Kraftwerke von unter einem MW Leistung.

Da Gaskraftwerke häufig die teuersten Kraftwerke im Markt seien und so den Strompreis für die meisten anderen Technologien setzen, hätten beispielsweise Braunkohle- oder Erneuerbare-Energien-Anlagen ihren Strom aufgrund der kriegsbedingt stark gestiegenen Gaspreise zu Preisen verkaufen können, die weit oberhalb ihrer Produktionskosten liegen und mit denen ihre Betreiber in der Vergangenheit niemals gerechnet hätten, erklärt das Ministerium.
Trotz der geplanten Gewinnabschöpfung bestehe daher weiterhin ein „grundsätzlich lohnenswertes Investitionsumfeld“ für neue Stromerzeugungsanlagen, so das Ministerium. Das Abschöpfungssystem sei bewusst so gestaltet, dass die Energieerzeuger weiter Gewinne machen und diese reinvestieren können.

VKU fordert Befreiung für Biomasse, Abfall und Klärschlamm

Diese Sichtweise stößt aber nicht nur beim BAV auf Widerspruch. Betreiber von Anlagen müssten weiterhin aufgrund von zu niedrig angesetzten Referenzkosten und Sicherheitszuschlägen eine Abschöpfung befürchten, selbst dann, wenn gar keine besonders hohen Gewinne entstehen, schreibt der Verband kommunaler Unternehmen in einer ersten Reaktion. Das könnte vor allem die Biomasse- und Altholzanlagen betreffen, die mit massiven Kostensteigerungen zu kämpfen haben. Der VKU fordert deshalb KWK, Biomasse, Abfall, Klärschlamm- beziehungsweise Klärgas, Grubengas und veredelte Braunkohleprodukte von der Erlösabschöpfung zu befreien.

Positiv wertete der Kommunalverband jedoch den Verzicht auf eine rückwirkende Gewinnabschöpfung. Auch die Laufzeitverkürzung bis höchstens zum 30. April 2024 sei ein Schritt in die richtige Richtung, da ein verlässliches Enddatum wichtig sei, um das Investitionsklima nicht noch mehr zu gefährden.

Kritisch äußerte sich vergangene Woche auch die Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie, Sandra Rostek: „Der Entwurf des Wirtschaftsministeriums zeigt, wie gering die Bereitschaft ist, sich auf die besondere Situation der Bioenergie einzulassen. So wird in dem Entwurf betont, die gestiegenen Kosten in Bezug auf Wartung, Reparatur, Betriebsmittelkosten und Substrate zu berücksichtigen, allerdings nur bei Biogasanlagen und weit unterhalb dessen, was zur Vermeidung einer Abschaltung der Anlagen nötig wäre.“ Die Kostensteigerungen bei der Holzenergie würden völlig ignoriert. Die vollständige Ausnahme der Bioenergie sei daher die einzige Lösung für Versorgungssicherheit im aktuellen Winter.

Anmerkung der Redaktion: Wir haben die ursprüngliche Meldung nach dem Kabinettsbeschluss überarbeitet und ergänzt.

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