Kritik an Werbekampagne von Lidl für PET-Einwegpfandflaschen

Die kürzlich gestartete Kampagne der Schwarz-Gruppe (Lidl/Kaufland) für das konzerneigene PET-Einweg-Kreislaufsystem stößt auf Kritik. Werbeträger der Neckarsulmer ist der bekannte TV-Moderator Günther Jauch. Er wirbt für die Umweltfreundlichkeit der Lidl-PET-Flaschen. Sie seien für die Umwelt günstiger als die PET-Mehrweg- oder gar die Mehrweg-Glasflasche. Argumentativ unterlegt hat der Konzern diese Aussagen mit einer neuen Ökobilanz des Ifeu-Instituts. Das Umweltbundesamt (UBA) und Umweltorganisationen haben die Bilanz und auch den TV-Moderator kritisiert.

Günther Jauch räumt nach Kritik an seiner Werbung für Lidl-PET-Einwegflaschen Erklärungsbedarf ein: „Es ist eine ökologische Getränkeverpackung, zu der es allerdings noch Aufklärungsbedarf gibt", sagte der Moderator der „Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ). Den Vorwurf von „Greenwashing" wies Jauch zurück.

Händler fürchtet hohe Kosten durch Mehrwegpflicht

Hintergrund der „Lidl-Studie“ ist, dass die Europäische Kommission in der geplanten EU-Verpackungsverordnung ab 2030 Vertreibern und Erzeugern von Getränken Mehrwegquoten auferlegen will. Lebensmittelhändler wie Lidl, die bislang bei Getränken nur auf Einweg wie bepfandete PET-Flaschen und Getränkedosen setzen, müssten dann z. B. auch Wasser, Bier und Erfrischungsgetränke in Mehrwegflaschen anbieten. Sollte den Händlern künftig eine Mehrwegpflicht verordnet werden, würde das hohe volkswirtschaftliche Kosten nach sich ziehen. Das Beratungsunternehmen DIW Econ schätzt im Auftrag von Schwarz Produktion in einer Studie, dass bei einer allgemeinen Angebots- und Rücknahmepflicht mindestens 1,5 Mrd € Transformationskosten im Jahr der Einführung anfallen. Würde in Deutschland die Mehrwegquote von 70 Prozent in allen Segmenten der Lebensmittelfilialen verbindlich umgesetzt, käme es in Kombination mit der Angebots- und Rücknahmepflicht zu einer Belastung von bis zu 6,6 Mio Tonnen CO2-Äquivilante und bis zu 11,2 Mrd € kosten. Filialen und Logistikzentren müssten ausgebaut, für den erhöhten logistischen Aufwand von Mehrwegsystemen zusätzliche LKW angeschafft und Pfandautomaten umgerüstet werden.

Das Umweltbundesamt kritisierte der Zeitung zufolge die Ifeu-Studie: Die Ökobilanz des Ifeu-Instituts genüge „nicht den Mindestanforderungen des UBA", sagte Gerhard Kotschik, der Verpackungsexperte der Bundesbehörde. Lidl vergleiche die „unternehmensspezifischen Ergebnisse" seines „sehr stark durchoptimierten Systems" mit denen durchschnittlicher Mehrwegsysteme. „Eine zentrale Forderung der Mindestanforderungen war aber der Vergleich von durchschnittlichen Systemen für Deutschland miteinander", zitiert die Zeitung Kotschik. Jauch sagte dazu: „Über den 'Einsatz von Parametern' sollen sich die Fachleute austauschen."

Das Umweltbundesamt widerspricht auch der Aussage, wonach Lidl für sein Einwegsystem kein Neuplastik benötigt. UBA-Experte Kotschik: „Das gerechnete PET-Einweg-System ist für den Betrieb immer auf Input von Neumaterial bzw. Recyclingmaterial von außen angewiesen." Lidl komme nur deshalb auf so gute Zahlen, „weil die Belastungen durch Neumaterial teilweise außerhalb der Systemgrenzen der Berechnung anfallen".

Umweltorganisationen: Falsche Werbeversprechen   

Auch Greenpeace wirft dem Moderator „falsche Werbeversprechen" vor: „Es ist erschreckend, dass Günther Jauch sich vor den Karren einer Einwegfirma spannen lässt, die den Wandel zum Mehrweg boykottiert", sagte Greenpeace-Expertin Viola Wohlgemuth der NOZ.

Greenpeace lud Jauch auf eine Müllhalde in Tansania oder Kenia ein: „Als guter Journalist kann er sich dort informieren, wie nachhaltig seine Plastik-Flaschen sind." Auf die Frage, ob er die Einladung annehme, sagte Jauch: „Ich weiß, dass es, insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent, Plastikmüllhalden gibt. Auch deshalb halte ich das System der Kreislaufflasche erst recht dafür geeignet, dass dieser Irrsinn aufhört."

Kritisiert wird die Kampagne von Lidl auch seitens der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Sie bezeichnete die Ökobilanz als einen Vergleich von „Äpfeln mit Birnen“. Lidl vergleiche sein eigenes spezifisches Einwegplastik-System nicht mit dem eines spezifischen Mehrweg-Abfüllers, sondern stelle diesem Marktdurchschnittsdaten von Mehrweg gegenüber. Darüber hinaus verschweige der Discounter in seinen Werbespots und auf Plakaten, dass die 0,5 Liter Lidl-Einweg-Plastikflasche aus 100 Prozent Recyclingmaterial ökobilanziell schlechter als Mehrweg abgeschnitten habe.

Die DUH forderte Jauch auf, sich von dieser „Einwegplastik-Kampagne“ zu distanzieren. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) solle angesichts dieses erneuten Angriffs eines Discounters auf das umweltfreundliche deutsche Mehrwegsystem sofort die im Koalitionsvertrag vereinbarte Förderung von Mehrweg umsetzen und eine Abgabe von 20 Cent auf Einweg-Plastikflaschen zusätzlich zum Pfand einführen, forderte DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz.

Um das beim Recycling verloren gegangene Material wieder aufzufüllen, nutzt Lidl für seine Eigenmarken auch die alten Einweg-Plastikflaschen anderer Marken, die bei dem Discounter in den Pfandautomaten landen. „Diese Unternehmen müssen das Material dadurch anderweitig ersetzen. In der Regel greifen sie dazu auf fossilbasiertes Neuplastik zurück. Der angebliche 100-Prozent-Recyclingkreislauf von Lidl wird so zur Farce“, sagt der DUH-Leiter für Kreislaufwirtschaft Thomas Fischer. Tatsächlich gebe es bei jedem Recyclingvorgang einen Materialschwund zwischen zwei bis fünf Prozent. Ohne eine Auffrischung mit Neumaterial stünde nach einer gewissen Zeit gar kein ursprüngliches Recyclingmaterial mehr zur Verfügung.

Die Autoren der Lidl-Studie betonen selbst, dass der vom Discounter beworbene Ansatz von Einweg-Plastikflaschen aus 100 Prozent Recyclingmaterial nicht auf die gesamte Getränkebranche und andere Unternehmen übertragen werden könne. Tatsächlich beträgt der durchschnittliche Einsatz von Recyclingmaterial zur Herstellung von Einweg-Plastikflaschen branchenweit lediglich um die 40 Prozent.

 

 

 

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