Forschungsbericht: Keine akute Gefahr für Menschen durch alte Munition in der Nordsee

In der deutschen Nordsee liegen Schätzungen zufolge rund 1,3 Mio Tonnen Munition aus Weltkriegszeiten. Eine akute Gefahr geht für den Mensch allerdings laut Forschungsberichten davon nicht aus. Über die Auswirkungen, welche die Altlasten auf die Meeresbewohner und die Menschen haben, war bisher wenig bekannt. Antworten gibt nun ein Forschungsprojekt. Von den Munitionsresten aus Weltkriegszeiten in der Nordsee geht keine akute Gefahr für den Menschen aus. Das ist ein Ergebnis des europäischen Forschungsprojekts „North Sea Wrecks“ unter Leitung des Deutschen Schifffahrtsmuseums in Bremerhaven.

Wissenschaftler hatten in der deutschen, dänischen, niederländischen und belgischen Nordsee an 15 militärischen Wracks Sediment- und Wasserproben entnommen. Zudem wurden Miesmuscheln und Fische auf toxische Substanzen untersucht. Potenziell krebserregende Stoffe wie TNT seien in eher geringen Konzentrationen gefunden worden, sagte Projektkoordinator Sven Bergmann. Sie seien beim Verzehr für den Menschen unbedenklich.

Eine Entwarnung wollte Bergmann trotzdem nicht geben: Denn für Muscheln und Fische bedeutete der permanente Austritt von Chemikalien aus korrodierender Alt-Munition Stress. Im Wrack des Kreuzers „Ariadne“, der 1914 in einem Seegefecht bei Helgoland versenkt wurde, entdeckten die Forschenden zudem Fische mit auffällig vielen Tumoren, sagte Edmund Maser, Toxikologe an der Universität Kiel.

Langfristig könne daher die Biodiversität in der Nordsee leiden. „Man muss auf die schleichende Gefahr gucken“, sagte Sven Bergmann. Auch gehe von den rostenden Waffen eine mögliche Explosionsgefahr aus. Vereinzelt seien solche Fälle bereits vorgekommen. Nach offiziellen Schätzungen liegen allein in der deutschen Nordsee rund 1,3 Mio Tonnen Munition aus den beiden Weltkriegen.

Beim Bau von Offshore-Windparks und dem Ausbau von Kabeltrassen wurden 2017 rund zwei Tonnen Waffen, Minen, Granaten, Torpedos und Bomben entdeckt. Dieter Guldin vom Kampfmittelräumungs-Unternehmen Sea Terra sagte, dabei würden Windparks sogar in Gebieten geplant, die ausweislich keine Verklappungsfelder seien.

Untersuchungen in der Ostsee hatten bereits ergeben, dass aus der dort verklappten Munition toxische und krebserregende Stoffe wie TNT und seine Abbauprodukte ins Meer strömen. Die Bundesregierung stellt bis 2025 deshalb 100 Mio € für die Munitionsbergung zur Verfügung, der Bau einer Bergungsplattform in der Ostsee ist geplant. Mit dem EU-geförderten und im Jahr 2018 gestarteten Projekt „North Sea Wrecks“, an dem auch das Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut beteiligt war, nahmen Forscher erstmals auch die Nordsee unter die Lupe. Dabei standen die Wracks von Marineschiffen im Fokus, da diese leichter zu untersuchen seien als Felder mit verklappter Munition, sagte Bergmann.

Allein in der deutschen Nordsee liegen mindestens 120 militärische Wracks, in denen sich auch Waffen und Munition befinden. Wie viele Verklappungsfelder mit Alt-Munition in der Nordsee zu finden sind, sei bisher nicht bekannt. Insgesamt befinde sich auf dem Nordseeboden aber viel mehr Kriegsgerät als in der Ostsee, hieß es. (dpa / Eigener Bericht)

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