Entsorger- und Logistikverbände fordern wegen Fahrermangel Reformen bei der Fahrerausbildung

Angesichts des wachsenden Fahrermangels fordern Verbände aus dem Entsorgungs- und Logistikbereich eine grundlegende Reform der Berufskraftfahrer-Ausbildung. Mit einem gemeinsamen Positionspapier, das auch vom BDE unterzeichnet wurde, haben sich die Verbände daher an den Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Oliver Luksic von der FDP, gewandt.

Den Branchenverbänden zufolge fehlen in Deutschland derzeit etwa 70.000 Lkw-Fahrer. Da zudem jährlich etwa 30.000 Fahrer in Rente gehen, aber nur etwa halb so viele den Beruf neu ergreifen, vergrößere sich die Lücke jedes Jahr um weitere 15.000 Fahrer. Ohne zügige Reformen werde sich der Berufskraftfahrermangel daher gravierend verschärfen und noch deutlichere Auswirkungen auf die Wirtschaft, Versorgung und den Personenverkehr nehmen, warnen neben dem BDE auch der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), der Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) sowie der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (BDO). „Der gravierende Berufskraftfahrermangel gefährdet letztlich die Transformation des Industriestandorts, dessen Erfolg nicht zuletzt auf einer funktionierenden Logistik beruht“, erklärte BDE-Geschäftsführer Jens Loschwitz.

Durch den Fahrermangel sind der deutschen Wirtschaft im vergangenen Jahr zusätzliche Kosten in Höhe von rund zehn Milliarden € entstanden. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine aktuelle Studie zu Kapazitätsengpässen in der Logistik mit Schwerpunkt Fahrermangel, die unter anderem von der Technischen Universität Dresden sowie der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt erarbeitet wurde.

Fahrausbildung und Berufskraftfahrerqualifikation zusammenlegen

Um zeitnahe Lösungen für das Problem zu finden, schlagen die Verbände die Einrichtung eines „Runden Tisches“ vor. In ihrem Positionspapier skizzieren sie dabei schon eine Reihe von Vorschlägen zur Behebung des Fahrermangels. So sollte beispielsweise die Berufskraftfahrerqualifikation in die Fahrausbildung integriert werden. Im Gegensatz zu anderen Mitgliedsstaaten werde die Fahrausbildung und die Berufskraftfahrerqualifikation in Deutschland getrennt unterrichtet und geprüft, heißt es in dem Papier. Obwohl sich die Ausbildungsinhalte überschneiden, müssten daher zwei Unterrichtseinheiten mit vielen Pflichtstunden sowie zwei Theorie- und zwei Praxisprüfungen absolviert werden. Dadurch sei die Berufskraftfahrerausbildung in Deutschland deutlich teurer und zeitaufwändiger als im europäischen Ausland.

Durch das Zusammenlegen beider Ausbildungen in eine Unterrichtseinheit, eine Theorie- und eine Praxisprüfung könnten Synergien genutzt und Bürokratie abgebaut werden. Der Zeit- und Kostenaufwand der inhaltlich und qualitativ gleichbleibenden Ausbildung würde erheblich reduziert, hoffen die Verbände. Der Berufszugang wäre durch die reduzierten Ausbildungskosten erleichtert und attraktiver, die Betriebe könnten mit ihren vorhandenen Mitteln mehr Personal ausbilden und die Fahrer und Fahrerinnen wären schneller einsatzbereit.

Hürden für ausländische Fahrer senken

Eine Reihe von Forderungen des Positionspapiers zielt zudem darauf ab, die Hürden für ausländische Fahrer zu senken. Sprachbarrieren in der Berufskraftfahrerqualifikation müssten abgebaut und der Führerscheinerwerb in zusätzlichen Fremdsprachen ermöglicht werden. So könne die theoretische Führerscheinprüfung derzeit auf Deutsch und in zwölf Fremdsprachen absolviert werden. Aufgrund des wachsenden Bedarfs an ausländischen Fahrern sollte der Sprachenkatalog zusätzlich um Albanisch, Bulgarisch, Serbisch und Ukrainisch ergänzt werden, fordern die vier Verbände.

Außerdem sollten ausländische Führerscheine, insbesondere aus Drittstaaten, leichter und schneller in Deutschland anerkannt werden. Die Verbände schlagen daher vor, dass auch Fahrer aus Bosnien-Herzegowina, der Ukraine und aus Belarus ihre Fahrerlaubnis in einen EU-Führerschein umtauschen können, ohne erneut eine Theorie- und Praxisprüfung ablegen zu müssen.

Aufgrund der bürokratischen Ausbildungsdauer, der hohen Kosten und den mangelnden Prüfterminen sollte es Personen mit Wohnsitz in Deutschland darüber hinaus möglich sein, ihre Führerscheine und die Berufskraftfahrerqualifikation auch im EU-Ausland zu erwerben. Die qualitativ hochwertige Fahrausbildung werde dabei durch die EU-weit einheitlichen Ausbildungsstandards sichergestellt, betonen die Verbände in dem Papier. Das Wohnortprinzip müsse daher auf europäischer und nationaler Ebene in ein „Unionsprinzip“ umgewandelt werden. „Dafür spricht nicht zuletzt, dass viele Berufskraftfahrer EU-weit im Einsatz sind und nur wenige Sprachen der von ihnen durchquerten Länder sprechen. Niemand käme auf die Idee, darin eine Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs zu sehen“, so BDE-Geschäftsführer Loschwitz.

Die beteiligten Verbände bitten die Bundesregierung außerdem, sich auf EU-Ebene für eine Anpassung der Mindestalter-Vorschriften bei Berufskraftfahrern einzusetzen. Um die Ausbildung zum Berufskraftfahrer attraktiver zu machen und mehr Auszubildende zu gewinnen, sei die Absenkung des Mindestalters für die Lkw-Fahrerlaubnisklassen auf 17 Jahre im Rahmen des begleiteten Fahrens während der Berufsausbildung notwendig.

Digitalisierung stärker für Bildungsangebote nutzen

Die Verbände dringen zudem darauf, die Möglichkeiten der Digitalisierung auch bei der Aus- und Weiterbildung von Fahrern stärker zu nutzen. Von der seit Langem angekündigten Einführung des E-Learnings in der Fahrausbildung sowie der Aus- und Weiterbildung von Berufskraftfahrern erhoffen sie sich „erhebliche“ Vorteile. Da nicht alle angehenden Fahrer eine leicht erreichbare Fahrschule oder eine Ausbildungsstätte für die Berufskraftfahrerqualifikation in ihrer Nähe haben, könnten theoretische Ausbildungsinhalte über das E-Learning zeitlich und örtlich flexibel absolviert werden. Denkbar seien dabei hybride oder digital abrufbare Lerneinheiten.

Insbesondere Frauen könnten durch den flexibleren Wiedereinstieg in das Berufsleben wesentlich von der Ein-führung des E-Learnings profitieren, meinen die Verbände. Die positiven Erfahrungen während der Corona-Pandemie hätten außerdem die Durchführbarkeit des digitalen Unterrichts bewiesen. Die Ausbildungsqualität bleibe durch die unveränderten Prüfungsanforderungen sichergestellt.

Aber nicht nur die Ausbildung, sondern auch die behördlichen Abläufe, beispielsweise die Verlängerung von Führerscheinen oder die Vorlage von Nachweisen, sollten zügig und umfassend digitalisiert werden, heißt es in dem Positionspapier weiter. Dadurch könne der zeitliche Aufwand und die Bürokratie für das Fahrpersonal, die Betriebe und die Behörden entscheidend reduziert werden.

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