Özdemir und Buschmann setzen sich für straffreies Containern ein

Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) wollen dafür sorgen, dass die Entnahme von Lebensmitteln aus Abfallcontainern straffrei wird. Eine Gesetzesänderung auf Bundesebene ist allerdings vorerst nicht geplant. Vielmehr werben die beiden Bundesminister in einem gemeinsamen Schreiben an die Justizminister und -senatoren der Länder dafür, einen Vorschlag des Landes Hamburg von 2021 zu unterstützen. Dieser sieht eine Änderung der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren vor, die von den Ländern beschlossen werden könnte.

Danach sollte das sogenannte Containern nur noch bestraft werden, wenn ein Hausfriedensbruch vorliegt, „der über die Überwindung eines physischen Hindernisses ohne Entfaltung eines wesentlichen Aufwands hinausgeht oder gleichzeitig den Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllt“. Mit anderen Worten: Wer über eine niedrige Mauer steigt, um an den Abfallcontainer des Supermarktes zu gelangen und Lebensmittel mitnimmt, soll dafür nicht wegen Diebstahls belangt werden. Wer auf der Suche nach noch verzehrfähigen Lebensmitteln ein Tor aufhebelt und beschädigt, müsste dagegen weiterhin mit einer Strafe rechnen.

„Wenn sich Menschen weggeworfene Lebensmittel mit nach Hause nehmen, ohne dabei eine Sachbeschädigung oder einen Hausfriedensbruch zu begehen, dann muss das nach meiner Meinung nicht weiter strafrechtlich verfolgt werden“, erklärte Buschmann. Özdemir sagte, die Änderungen bei den Richtlinien zum Verfahrensrecht könnten einer von vielen Bausteinen im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung sein – „hier können auch die Bundesländer einen konkreten Beitrag leisten“.

Verbraucher verursachen rund 60 Prozent der Lebensmittelabfälle

Laut Bundeslandwirtschaftsministerium werden jedes Jahr in Deutschland rund elf Mio Tonnen Lebensmittel entsorgt. Jeder Verbraucher in Deutschland wirft demnach im Schnitt 78 Kilogramm pro Jahr weg. Das sind 59 Prozent der Lebensmittelabfälle. Etwa 17 Prozent der Lebensmittel werden in Restaurants, Kantinen und bei anderen Formen der Außer-Haus-Verpflegung weggeworfen. Bei der Verarbeitung gehen laut Ministerium rund 1,6 Mio Tonnen verloren, etwa durch fehlerhafte Verpackungen, das sind 15 Prozent aller entsorgten Lebensmittel. Im Handel entstehen sieben Prozent der Lebensmittelabfälle, etwa durch zu große Bestellmengen, die nicht vollständig verkauft werden. Der Schwund, der in der Landwirtschaft entsteht, etwa bei der Lagerung oder durch Schlachtabfälle, macht demzufolge rund zwei Prozent aus.

Für die Umweltschutzorganisation WWF Deutschland sind die Vorschläge der beiden Minister noch nicht ausreichend. „Die Legalisierung des Containerns ist ein guter Schritt, aber damit packt die Bundesregierung das Problem Lebensmittelverschwendung nicht an der Wurzel an“, sagte WWF-Fachbereichsleiter Rolf Sommer. Was am Ende in der Tonne lande, werde nur besser verteilt. Besser wäre eine gesetzlich verankerte Pflicht zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen – für alle Wirtschaftsbeteiligten auf allen Herstellungs- und Vertriebsebenen.

Umweltschützern geht Vorstoß nicht weit genug

Auch der Grünen-Politiker Rezzo Schlauch, der sich als Anwalt 2020 für zwei junge Tübinger eingesetzt hatte, die beim Containern erwischt worden waren, kritisierte den Vorstoß als nicht weitgehend genug. „Das halte ich für halbgar, wenn man da einen klaren Schnitt machen will, muss man die Strafbarkeit von Containern aufheben“, sagte er. Die Klimaaktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ hatten im vergangenen Jahr Straßen mit der Begründung blockiert, sie wollten Druck auf die Bundesregierung ausüben, damit diese ein „Essen-Retten-Gesetz“ auf den Weg bringe.

Im Zusammenhang mit einer geplanten allgemeinen Überprüfung einzelner Paragrafen des Strafgesetzbuches könnte überlegt werden, ob zum Containern auch noch eine Änderung im Strafrecht kommen soll. Die Überprüfung dürfte jedoch dem Vernehmen nach noch etliche Monate in Anspruch nehmen. Eine solche Änderung ist im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP auch gar nicht explizit vorgesehen. Dort heißt es lediglich: „Wir werden gemeinsam mit allen Beteiligten die Lebensmittelverschwendung verbindlich branchenspezifisch reduzieren, haftungsrechtliche Fragen klären und steuerrechtliche Erleichterung für Spenden ermöglichen.“

Tafel hält Diskussion für "Nebelkerze"

Für steuerliche Anreize für Lebensmittelspenden spricht sich auch die Tafel Deutschland aus, Handel, Herstellern etc. müssten zudem leichter spenden können. Zum Beispiel sollten die Spenden rechtssicher und die Regelungen zur Haftung einfacher sein. Die Diskussion ums Containern hält die Tafel nur für eine „Nebelkerze“: Sie erzeuge viel Aufmerksamkeit, aber bewirke fast nichts. „Nachhaltig ist Containern nicht – wir brauchen Maßnahmen entlang der ganzen Wertschöpfungskette, damit gute Lebensmittel gar nicht erst im Müll landen“, schreibt die Tafel auf Twitter. Über 50 Prozent der Verschwendung passiere in Haushalten, hier brauche es Bildung in Schulen und Aufklärungskampagnen für Erwachsene. (dpa/ eigener Bericht)

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