Noch Rechtsunsicherheiten bei Umsetzung der neuen Mehrwegangebotspflicht

Verbraucher haben seit dem Jahreswechsel ein Anrecht darauf, dass To-go-Speisen und -Getränke auch in Mehrwegverpackungen angeboten werden. Die Mehrwegangebotspflicht war im Mai 2021 vom Bundestag beschlossen worden. Der Gaststättenverband spricht von zusätzlichen Belastungen, Umweltverbänden geht die Regel noch nicht weit genug. Auch die rechtssichere Umsetzung ist umstritten.

Laut Bundesumweltministerium sollen insbesondere Einwegverpackungen aus Kunststoff ersetzt werden. Seit Jahren steige der Verbrauch von Verpackungen an, sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Die neue Pflicht zum Mehrwegangebot könne hier entscheidend zur Trendumkehr beitragen. „Viele Restaurants und Cafés, aber auch Caterer und Kantinen haben bereits frühzeitig umgestellt. Niemand muss mehr Wegwerfplastik hinnehmen“, sagte sie. „Künftig sollte die Pflicht auch für sämtliche Einweg-Verpackungen gelten, egal aus welchem Material sie sind. Es braucht auch noch bessere Rücknahme- und Pfandsysteme.“ Dafür sei zum Beispiel eine Mindestquote für Mehrweggetränkeflaschen in Supermärkten denkbar.

Der neuen Vorgabe zufolge darf dasselbe Produkt in der Mehrwegverpackung nicht teurer sein als in der Einwegverpackung. Von der Novelle ausgenommen sind kleinere Geschäfte wie Imbisse und Kioske, in denen höchstens fünf Beschäftigte arbeiten und die gleichzeitig eine Ladenfläche von nicht mehr als 80 Quadratmetern haben. Für Ketten wie etwa Bahnhofsbäckereien gilt die Ausnahme laut Bundesumweltministerium nicht, wenn im gesamten Unternehmen mehr als fünf Beschäftigte arbeiten – selbst wenn die Verkaufsflächen der einzelnen Stellen weniger als 80 Quadratmeter betragen. Allerdings besteht die Möglichkeit, Speisen und Getränke in selbst mitgebrachte Mehrwegbehältnisse füllen zu lassen.

Eine Sprecherin des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga sagte: „Für die allermeisten Betriebe bedeutet das verpflichtende Vorhalten von Mehrwegbehältnissen zusätzliche Belastungen.“ Die Betriebe sind verpflichtet, Gäste auf die Möglichkeit hinzuweisen, Waren auch in Mehrwegverpackungen zu erhalten. In der Verkaufsstelle muss das deutlich sichtbar gemacht werden. Bei einer Lieferung muss dieser Hinweis zum Beispiel im Flyer aufgedruckt sein.

Bund und Länder arbeiten an Leitfaden

Die neue Verpflichtung ist dem Verband zufolge für die Branche mit viel Aufwand und Kosten verbunden. Wer gegen die neuen Vorschriften verstößt, riskiert ein Bußgeld von bis zu 10.000 €. Nach Ansicht der Dehoga sind Details dieser Regelung noch nicht eindeutig geklärt. Der Verband verweist auf laufende Verhandlungen zwischen Bund und Ländern, deren Ergebnis ein abgestimmter „Leitfaden“ sein soll. Denn bislang würden Behörden bei Anfragen oder mit eigenen „Merkblättern“ unterschiedliche und zum Teil abweichende Auffassungen zur Auslegung einzelner Vorgaben der Mehrwegangebotspflichten vertreten. Diese gingen zum Teil weiter als die Hinweise des Lebensmittelverbandes und des Dehoga. Nach Informationen des Lebensmittelverbandes wird derzeit ein zwischen Bund und Ländern abgestimmter „Leitfaden zur Umsetzung der Mehrwegangebotspflicht“ unter Federführung des Umweltbundesamtes (UBA) erarbeitet.

Mit einer Veröffentlichung durch die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) sei aber erst frühestens im Februar zu rechnen. Unter anderem geht es dabei um die Frage, ob für Einschlagfolien, in denen Lebensmittel zum Unterwegsverzehr abgegeben werden, eine Mehrwegalternative verlangt werden kann. Zudem sind nach Auffassung des Lebensmittelverbandes Deckel von Getränkebechern auch nach EU-Recht kein integraler Bestandteil der Verpackung. Einwegdeckel für Mehrwegbecher wären dann kein Widerspruch zur Mehrwegangebotspflicht.

Die Mehrweglösung kann sehr unterschiedlich ausgestaltet werden. Betreiber sind zunächst einmal nur verpflichtet, ihre eigenen ausgegebenen Mehrwegverpackungen zurückzunehmen. Es gibt aber auch Betreiber, die mit Anbietern von Mehrwegsystemen zusammenarbeiten. Manche Systeme verlangen ein Pfandentgelt, andere arbeiten mit einem app-basierten Registrierungssystem. Das Angebot wird aus Sicht des Umweltministeriums voraussichtlich noch wachsen.

Die Schnellrestaurantkette McDonald's hat beispielsweise angekündigt, ihr eigenes Mehrwegsystem mit wiederverwendbaren Verpackungen für je zwei Euro Pfand anzubieten. Burger King hingegen arbeitet mit Recup, einem Anbieter von Mehrwegsystemen, zusammen, weshalb Kunden ihre Mehrwegbecher auch an all diesen Ausgabestellen zurückgeben können. Bis zu 1.000 Einwegbecher soll jeder Mehrwegbecher im Laufe seiner Nutzungszeit nach Unternehmensangaben ersetzen können. Recup/Rebowl ist nach eigenen Angaben Deutschlands größtes Mehrwegsystem für die Gastronomie mit bislang über 16.400 Aus- und Rückgabestellen.

Für BUND geht Schritt nicht weit genug

Für den Umweltverband BUND geht der Schritt in die richtige Richtung, aber nicht weit genug. Er fordert eine ausnahmslose Mehrwegpflicht, da er fürchtet, dass viele Händler weiter Einweg als Standard anbieten werden. Aus Sicht der Deutschen Umwelthilfe (DUH) drohen die Regeln in ihrer jetzigen Form ins Leere zu laufen. Zwar sei der Ansatz richtig. Die Regelung enthalte jedoch weder Vorgaben, wie viel Mehrweg genutzt werden soll, noch eine finanzielle Schlechterstellung von umwelt- und klimaschädlichem Einweg. Deshalb fordert die DUH eine Abgabe von mindestens 20 Cent auf Einweg-Geschirr. Nur so gebe es einen echten Impuls, Mehrweg gegenüber Einweg vorzuziehen. Der Gastronomie empfiehlt die DUH die Verwendung unternehmensübergreifender Standard-Mehrwegbecher und -Essensboxen. Das mache Mehrweg effizienter in der Handhabung und die Rückgabe einfacher. Zudem müsse die Mehrwegangebotspflicht von den unteren Abfallbehörden und Gewerbeaufsichtsämtern konsequent kontrolliert werden.

Kritisch beurteilt die DUH auch diverse Ausnahmeregelungen, etwa für Kleinunternehmen: Wer bis zu fünf Beschäftigte und gleichzeitig nicht mehr als 80 Quadratmeter Verkaufsfläche hat, kann die Mehrwegangebotspflicht auch durch die Befüllung mitgebrachter Behältnisse erfüllen – die Bereitstellung eigener Mehrwegverpackungen ist dann nicht erforderlich. Dadurch entfielen tausende Ausgabestellen. Hinzu kämen Schlupflöcher für Einwegverpackungen aus reiner Pappe und Aluminium. So müssen Gastronomiebetriebe, die Pizzakartons oder etwa Einweg-Aluminiumschalen verwenden, weder Mehrweg anbieten noch mitgebrachte Mehrwegbehältnisse befüllen.

Greenpeace befürchtet, dass die Branche trotz langer Vorlaufzeit nicht auf die flächendeckende Umsetzung vorbereitet ist. Ob das Gesetz auch wirklich umgesetzt wird, soll laut den Umweltschützern eine bundesweite Recherche zeigen Unter dem Motto „Deutschland macht den Mehrweg-Test“ soll bis zum 8. Januar in den größten deutschen Städten und bei den größten Gastronomiebetrieben und Lieferdiensten geprüft werden, ob diese die Vorgaben einhalten.  

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