Diskussionen über die Aufnahme von Abfallbrennstoffen ins BEHG ebben nicht ab

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Der Bundestag berät morgen erstmals über den Entwurf der Bundesregierung für ein zweites Gesetz zur Änderung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG). Mit der Änderung sollen ab 2023 auch die Brennstoffe Kohle und Abfälle in den Emissionshandel aufgenommen werden. Nach rund 45-minütiger Aussprache wird der Entwurf dann zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Klimaschutz und Energie überwiesen. Die zweite und dritte Lesung im Bundestag wird voraussichtlich am 13. Oktober 2022 folgen, bei Verabschiedung geht das Einspruchsgesetz an den Bundesrat. Mit einem Inkrafttreten wird am 1. Januar 2023 gerechnet.

Zuvor hatte der Bundesrat in seiner Stellungnahme gefordert, solche Anlagen vom Emissionshandel auszunehmen, deren Hauptzweck die Verbrennung gefährlicher Abfälle ist. Die Sonderabfallverbrennung diene im Hauptergebnis dazu, das Schadstoffpotenzial in den gefährlichen Abfällen zu vernichten. Ein Brennstoffcharakter sei nicht vorhanden und trete gegenüber diesem Hauptzweck völlig zurück, so der Bundesrat. Da es sich nicht um ein Zustimmungsgesetz handelt, kann sich der Bundestag jedoch über den Bundesrat hinwegsetzen.

In der Abfallwirtschaftsbranche sorgt der Entwurf weiterhin für Diskussionen. Während der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse) den Entwurf begrüßt, lehnt die Interessengemeinschaft der Thermischen Abfallbehandlungsanlagen in Deutschland (ITAD) die Ausweitung des Emissionshandels auf Abfallbrennstoffe ab. Auf der VDI-/ITAD-Konferenz letzte Woche in Würzburg waren sich die Teilnehmer weitgehend einig, dass die Einbeziehung von Abfallbrennstoffen zur Unzeit für die unter den Energiekosten leidenden Bürger kommt. Nun sei auch noch mit einer Steigerung der Abfallgebühren und der Kosten von Fernwärme und Strom aus Müllverbrennungsanlagen zu rechnen, sagte beispielsweise Ralph Müller-Beck, Leiter kommunales Vertriebsmanagement bei Remondis, im Rahmen einer Podiumsdiskussion.

Uneinigkeit über etwaige Stoffstromverschiebungen ins Ausland

Die Abfallverbrenner gehen davon aus, dass die Abfälle durch die CO2-Bepreisung verstärkt ins Ausland exportiert und dort deponiert werden, was dem Klimaschutz durch die klimaintensiven Methangasemissionen einen Bärendienst erweisen würde. Müller-Beck rechnet damit, dass es über zehn Prozent Veränderungen in den Stoffströmen geben wird. Der bvse erwartet hingegen durch die CO2-Bepreisung keine automatische Verschiebung der Stoffströme ins Ausland. Wenn dem so wäre, hätte dies in der Vergangenheit auch schon stattfinden können, argumentiert der Verband. Denn eine Deponierung sei immer der günstigste Weg. Stattdessen seien jedoch weitere Sortieranlagen in Deutschland entstanden, deren Investitionen nun wieder auf dem Spiel ständen.

Auf der Konferenz wurde zudem bemängelt, dass durch die CO2-Bepreisung von Abfallbrennstoffen keine positive Lenkungswirkung erzielt werde. Der bvse geht hingegen davon aus, dass die CO2-Bepreisung von Abfallbrennstoffen zur Steigerung des Recyclings und zu einer höherwertigeren energetischen Verwertung beitragen kann.

bvse sieht Wettbewerbsfähigkeit von Sortieranlagen aktuell gefährdet

Gerade im Moment ist es besonders lukrativ, Energie zu verkaufen, so dass die Verbrennungspreise für die Annahme von Abfällen zur Verwertung bundesweit sinken, um Verbrennungskapazitäten zu füllen. In der Folge seien Sortieranlagen nicht mehr wettbewerbsfähig, würden Mengen verlieren und es drohe sogar eine zeitweise oder gar gänzliche Abschaltung von Anlagen, so der bvse. Nach Einschätzung des Verbands dürften Müllverbrennungsanlagen sogar von der Energiekrise profitieren. „Nun erzielte Gewinne sollten an die Gebührenzahler zurückgegeben werden, so dass die sich aus dem BEHG ergebenen Belastungen, wie prognostiziert, auch nur im einstelligen Prozentpunktebereich bewegen“, sagte Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des bvse.

Aus Sicht des bvse ist eine CO2-Bepreisung der Müllverbrennung ein Anreiz für mehr Getrennthaltung, mehr Recycling und eine höherwertigere energetische Verwertung, z. B. als Ersatzbrennstoff in der Zementwirtschaft. Denn sofern ein Stoff nicht mehr recycelt werden könne, gehe es auf dem Weg zur energetischen Verwertung auch um Wettbewerbsgleichheit. Bereits heute unterliegen Mitverbrennungsprozesse in der Zementwirtschaft oder EBS-Kraftwerken dem Europäischen Emissionshandel, demgegenüber ist die Verbrennung in der Müllverbrennungsanlage derzeit noch privilegiert.

Bei Einbezug von Abfallbrennstoffen steht Lenkungswirkung nicht im Fokus

Dass es der Politik bei der Einbeziehung von Abfallbrennstoffen in den Emissionshandel gar nicht um eine Lenkungswirkung geht, wurde in einem Konferenzbeitrag von Uwe Neuser vom Bundeswirtschaftsministerium deutlich. Vielmehr solle sichergestellt werden, dass das nationale CO2-Budget eingehalten wird, das nach den Vorgaben der EU-Klimaschutzverordnung einem jährlich vorgegebenen Reduktionspfad folgen muss. Da auf EU-Ebene eine Einbeziehung von Abfallbrennstoffen in den Emissionshandel (EU-ETS) unwahrscheinlich erscheine, sei eine nationale Regelung nötig geworden.

Bisher sieht Neuser in der Abfallverbrennung „nicht einen Hauch technologischer Minderung, die uns für das 2030er-Klimaziel einzahlt“. Zwar gebe es einen Technologiepfad zur Emissionsminimierung, aber mit einer tatsächlichen Minderung sei erst später zu rechnen. Deshalb sei die Einbeziehung in den Emissionshandel folgerichtig. Denn so würde die Abfallwirtschaft den Preis dafür zahlen, dass andere Sektoren ihre CO2-Emissionen bereits früher mindern könnten. Eventuelle Verwerfungen durch das BEHG in Form von steigenden Abfallgebühren und verstärkten Müllexporten sollten seiner Ansicht nach durch taugliche abfallwirtschaftliche Instrumente verhindert werden.

Technologien zur CO2-Minderung in der Abfallwirtschaft brauchen Förderung

ITAD-Geschäftsführer Carsten Spohn setzte dem entgegen, dass die Technologien zur CO2-Minderung bereits existieren, aber noch viel zu teuer seien. „Wir haben keine Möglichkeiten das CO2 sachgerecht in großen Mengen in die Stoffkreisläufe zurück zu bekommen“, so Spohn. Das könne sich aber auch schnell ändern. Dabei würde er sich mehr Unterstützung aus dem Bundeswirtschaftsministerium wünschen. Auch aus dem Plenum kam die Anregung, Gewinne aus der CO2-Bepreisung zur Förderung von Innovationen zu nutzen.

Zudem wurde von den Konferenzteilnehmern immer wieder auf den Vorbildcharakter des Schweizer Modells verwiesen, das auf der Konferenz von Robin Quartier, Geschäftsführer des Verbands der Betreiber Schweizerischer Abfallverwertungsanlagen VBSA, vorgestellt wurde. In der Schweiz sind die Abfallverbrenner vom Emissionshandel befreit, da sich die 29 Anlagenbetreiber dazu verpflichtet haben, zusammen jährlich eine Mio CHF in die Abscheidung von CO2 (Carbon Capture – CC) zu investieren. Diese Investition entspreche 0,25 € je Tonne Abfall und sei für die Anlagen somit günstiger als die Kosten des Emissionshandels.

In der Schweiz ist eine großtechnische CC-Anlage geplant

Bis 2030 soll von diesen Geldern eine erste großtechnische Anlage zur Abscheidung von 100.000 Jahrestonnen CO2 umgesetzt werden. Gleichzeitig müssen alle Abfallverbrennungsanlagen „CC-ready“ werden. In der folgenden Skalierungsphase soll das Wachstum des CO2-Netzes den Takt vorgeben, sobald eine Müllverbrennungsanlage Zugang zum Netz hat, muss sie CO2 abscheiden und einspeisen. Dabei sind die Anlagenbetreiber nicht dafür verantwortlich, was mit dem CO2 nach der Einspeisung passiert.

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