BEHG: Bundestag stimmt für CO2-Steuer auf Abfallbrennstoffe erst ab 2024

Kreis der betroffenen Anlagen um Altölverbrenner erweitert

Abfallbrennstoffe werden erst ab 1. Januar 2024 in den nationalen Emissionshandel nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) aufgenommen, und auch bestimmte Altölverbrennungsanlagen müssen dann einen CO2-Preis zahlen. Dafür stimmte am Donnerstag mit den Stimmen der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP eine Mehrheit der Bundestagsabgeordneten bei der abschließenden Lesung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des BEHG. Dagegen stimmten die Fraktionen CDU/CSU, AfD und Linke. Ursprünglich war eine Erweiterung des Emissionshandels auf weitere Brennstoffe wie Kohle und Abfallbrennstoffe schon ab dem kommenden Jahr vorgesehen.

Der Kreis der einbezogenen Abfallverbrennungsanlagen wurde zudem kurzfristig um Altölverbrennungsanlagen erweitert. Die vom Bundesrat geforderte Ausnahme für Sonderabfallverbrennungsanlagen fand hingegen keine Berücksichtigung. Außerdem wird mit dem Gesetz die Grundlage zur Einführung von CCS geschaffen. So soll die Emissionsberichterstattung für Anlagen, die am EU-Emissionshandel teilnehmen, auch für die Berichterstattung von Abfallverbrennungsanlagen angewendet werden. Das betrifft beispielsweise die dauerhafte Einbindung oder Speicherung von Kohlendioxid. Damit soll sichergestellt werden, dass Abfallverbrennungsanlagen gegenüber emissionshandelspflichtigen Anlagen nicht benachteiligt werden.

Auch bei den Standardwerten, die zur Berechnung der CO2-Emissionen festgelegt werden, gibt es eine Änderung gegenüber dem Regierungsentwurf. SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP stimmten am Donnerstag dafür, dass „Standardfaktoren hinreichend konservativ bemessen sein müssen“. Damit soll klargestellt werden, dass die Standardfaktoren keine Durchschnittswerte abbilden. Vielmehr sollen sie so bemessen sein, dass die Emissionen insgesamt nicht unterschätzt werden.

Die Pläne der Bundesregierung zur Einbeziehung der Abfallverbrennung in den nationalen Emissionshandel hatte in den letzten Monaten für hitzige Diskussionen gesorgt. Private und kommunale Anlagenbetreiber hatten über den VKU, die kommunalen Spitzenverbände, die ITAD und den BDE vor allem vor höheren Abfallgebühren für die Bürger gewarnt. Aufgrund des nationalen Alleingangs werden außerdem steigende Abfallexporte befürchtet.

VKU und BDE für europäische Lösung

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) zeigte sich daher über die einjährige Verschiebung der Einbeziehung von Abfallverbrennungsanlagen enttäuscht, da er sich gemeinsam mit der Mehrheit der Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung letzte Woche für eine Verschiebung um mindestens zwei Jahre eingesetzt hatte. „Gerade vor dem Hintergrund der Energiepreiskrise und der rasant steigenden Lebenshaltungskosten sollten Zusatzbelastungen der privaten Haushalte und des Gewerbes unbedingt vermieden werden“, sagte VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. „Und die Situation wird im Jahr 2024 wohl leider keine wesentlich bessere sein.“

Dennoch sei die Verschiebung um ein Jahr zumindest ein Teilerfolg für die kommunale Entsorgungswirtschaft und die Abfallgebührenzahler. „Wichtig ist auch, dass die Betriebe jetzt Planungssicherheit für die kommenden Gebührenkalkulationen haben“, so Liebing weiter. „Unser Ziel bleibt allerdings eine europäische Lösung, die perspektivisch den jetzt beschrittenen deutschen Sonderweg bei der Belastung der energetischen Abfallverwertung mit einem CO2-Preis ablösen muss.“

Auch der Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) wirbt weiterhin für eine EU-weite Regelung der CO2-Bepreisung. „Ziel muss ein level playing field der EU-Mitgliedstaaten sein. Nationale Alleingänge bei der CO2-Bepreisung dienen dem Klima nicht“, betonte BDE-Präsident Peter Kurth in einer ersten Reaktion. Solche Alleingänge führten nur zu Ausweichverhalten selbst innerhalb der EU.

Grüne erwarten keine verstärkten Exporte

Bei den Grünen zeigte man sich nach dem erzielten Kompromiss erfreut, dass Lobbyforderungen zu Ausnahmen für Sondermüll und Altholz abgewehrt werden konnten. Ein verstärkter Export von Abfall ins Ausland ist aus Sicht der Fraktion nicht zu befürchten. „Die Aufnahmekapazitäten unserer Nachbarländer für Müll sind begrenzt“, erklärte die Abgeordnete Lisa Badum bei der Debatte zum BEHG. Die Abfallverbrennungsverordnung schreibe außerdem vor, dass Müll zunächst in Deutschland verarbeitet werden soll. Angesichts der hohen Transportpreise gebe es auch kaum Anreize für Exporte.

„Am besten fand ich das Argument, dass wir die Müllverbrenner aufgrund der Energiekrise, bei der sie 400 Prozent mehr Gewinn beim Verkauf von Strom und Wärme gemacht haben, aus der CO2-Bepreisung herausnehmen sollen. Umgekehrt wird doch ein Schuh draus! Die letzten zwei Jahre haben sie 700 Mio € gespart, weil sie nicht in der Bepreisung waren“, so Badum. Genau deswegen sollten die MVA jetzt in den Emissionshandel aufgenommen werden.

Die Grünen-Abgeordnete hätte sich zwar auch eine Aufnahme schon ab dem kommenden Jahr vorstellen können. Entscheidend sei aber, dass das Thema in dieser Legislatur festgemacht wurde und so keine Verschiebung auf die Zeit nach der Wahl möglich wird. Außerdem erklärte sie, dass die Mittel aus der CO2-Bepreisung in den Klima- und Transformationsfonds fließen sollen. Die Regierung habe die EEG-Umlage gesenkt und fördere Klimaschutzinvestitionen. „Und wir arbeiten sehr intensiv am Klimageld“, so Badum weiter.

Union scheitert mit eigenem Antrag für weitere Verschiebung

Andreas Lenz von der CSU verwies in der Debatte hingegen erneut auf die hohen Kosten, die Gefahr steigender illegaler Exporte sowie die fehlenden Alternativen für Sondermüll. Die Unionsfraktion brachte daher auch einen eigenen Entschließungsantrag ein, mit dem die Einbeziehung der Abfallverbrennung in den Emissionshandel bis zum Vorliegen einer europäischen Lösung verschoben werden sollte. Für diesen Antrag enthielten CDU und CSU aber lediglich die Unterstützung der Linken.

Lenz räumte allerdings auch ein, dass die Abfallwirtschaft noch viel zum Klimaschutz beitragen muss. Statt beim Emissionshandel für die Abfallverbrennung, müsse man dafür aber beim Produkt ansetzen. So müsse der Kunststoffeinsatz verringert, die Abfallvermeidung vorangetrieben und mehr Kreislaufwirtschaft geschaffen werden – „natürlich auch mehr Wertstofftonnen“.

Gemischte Stimmungslage in der SPD

Für Andreas Mehltretter von der SPD ist die Verschiebung der geplanten Ausweitung des Emissionshandels auf die Abfallwirtschaft um ein Jahr angesichts der aktuellen Lage folgerichtig. „Wir legen aber jetzt schon fest, wie die Abfallwirtschaft einbezogen wird. Auch das gehört zur Verlässlichkeit. Es ist unstrittig, dass die Müllverbrennung CO2 erzeugt. Es ist auch unstrittig, dass wir einen großen Teil dieses Mülls vermeiden statt verbrennen können.“ Er plädierte zudem dafür, die Müllverbrennung möglichst bald in den europäischen Emissionshandel zu überführen. Dafür müsse sich die Bundesregierung jetzt stark machen.

Aber auch der SPD-Abgeordnete sieht für die Abfallvermeidung noch weitere Stellschrauben. „Wir müssen Verpackungen vermeiden und mehr Materialien einsetzen, die wiederverwertbar sind. Wir brauchen endlich flächendeckend Wertstoff- und Biomülltonnen. Und es braucht klare gesetzliche Regelungen, aber eben auch finanzielle Anreize dafür, das Richtige zu tun“, so Mehltretter.

In der SPD-Fraktion gibt es aber nicht nur Zustimmung zum gefundenen Kompromiss bei der Einbeziehung der Abfallverbrennung ins BEHG. So hatte sich Michael Thews eine Verschiebung um mindestens zwei Jahre gewünscht. „Die Einbeziehung der Müllverbrennungsanlagen wird wahrscheinlich wenig Einfluss auf die Menge an CO2-Ausstoss haben und damit auf absehbare Zeit keine klimapolitische Lenkungswirkung. Sie wird aber zu höheren Kosten für die Gebührenzahler führen und wahrscheinlich auch zu mehr Mülltransporten ins Ausland“, kritisierte der Berichterstatter der Fraktion für den Bereich Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschutz in einer Stellungnahme.

Das Gesetz sei ein nationaler Alleingang und deswegen problematisch, weil sich der Müll immer den „billigsten Weg“ suche, so Thews. „Es ist also zu befürchten, dass er in Müllverbrennungsanlagen im Ausland landet. Das wäre ein fatales Ergebnis. Deshalb bin ich froh, dass wir die Einbeziehung um ein Jahr aufschieben konnten.“ Der SPD-Abgeordnete will nun verstärkt an einer europäischen Lösung arbeiten. Das Wirtschaftsministerium müsse nun zusammen mit dem Umweltministerium eine europäische Regelung für die CO2-Bepreisung der Abfallverbrennung vorantreiben. „Dann können wir einen nationalen Alleingang vermeiden.“

FDP: Einbeziehung der Müllverbrennung fair und nachhaltig

Für Olaf in der Beek von der FDP hat die Koalition bei der Berücksichtigung der Abfallverbrennung im BEHG einen guten Kompromiss gefunden. „Wir verschieben die Einführung; dennoch halten wir am Emissionshandel als maßgeblichem Instrument für effizienten Klimaschutz fest. Die Abfallwirtschaft wird dabei nun genauso eingebunden wie fast alle anderen Sektoren. Das ist fair, nachhaltig und dient dem innovativen Klimaschutz.“ Die Verschiebung um ein Jahr sei „absolut vernünftig“, da alles andere in der derzeitigen Situation nicht vermittelbar gewesen wäre, so in der Beek weiter.

Linke: Mehr Pfandsysteme und Klimaabgabe auf Konzerne abwälzen

Deutliche Kritik gab es hingegen von den Linken. Die Ampel-Regierung entlasse die Konzerne beim Klimaschutz aus der Verantwortung und wälze diese stattdessen auf die Bürger ab, erklärte Ralph Lenkert im Bundestag. Er verweis dabei auf die EU-Kunststoffabgabe, für die Deutschland in diesem Jahr 1,37 Mrd € nach Brüssel überweise. Statt diese Summe von Handelskonzernen und der Kunststoffindustrie einzutreiben, greife die Regierung auf Steuermittel zurück und belaste dadurch die Bürger.

„Damit Deutschland die Klimaziele trotzdem erreicht, belastet die Regierung ab 2024 Verbraucherinnen und Verbraucher und verteuert die Abfallgebühren um eine Mrd € durch CO2-Steuern. Selbst bei Klimaschutz verschont diese Regierung wieder die Konzerne, und die Bevölkerung muss doppelt bezahlen“, kritisiert Lenkert. Die Konzerne sollten die 1,37 Mrd € für die Kunststoffabgabe selbst bezahlen. Von der Bundesregierung fordert der Linken-Abgeordnete mehr Pfandsysteme für den Klimaschutz.

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