Fraunhofer-Institut IPA forscht an Wasserstoff aus Grünabfällen und Klärschlamm

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Aus Grünabfällen und Klärschlamm soll zukünftig Wasserstoff gewonnen werden. Dieses Ziel verfolgt ein Forschungsteam am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA. Das bei der Gewinnung von Wasserstoff aus Abfällen entstehende CO2 soll dabei abgeschieden und beispielsweise in der chemischen Industrie als Rohstoff verwendet werden. Auf diese Weise stellen die Forschenden aus dem Bioabfall mit unterschiedlichen Verfahren Wasserstoff mit einem negativen CO2-Fußabdruck her. Es wird also der Atmosphäre CO2 entzogen.

Bioabfall gibt es hierzulande in großen Mengen. Rund 4,6 Mio Tonnen haben die Deutschen im vergangenen Jahr laut Umweltbundesamt allein in ihren braunen Tonnen gesammelt. Hinzu kommen Abfälle aus öffentlichen Parks und Gärten, aus der Landwirtschaft und aus der Nahrungsmittelproduktion, außerdem Klärschlamm und Speisereste aus Kantinen – alles in allem gut 15 Mio Tonnen. Der Großteil landet in Kompostieranlagen oder wird verbrannt, um Wärme und Strom zu erzeugen. Dabei entstehen klimaschädliche Kohlendioxid-Emissionen. „Doch dafür ist der Bioabfall viel zu schade“, sagt Johannes Full, Leiter der Gruppe „Nachhaltige Entwicklung biointelligenter Technologien“ am Fraunhofer IPA in Stuttgart.

Kohlendioxid-Gehalt in der Atmosphäre verringern

Für die Wandlung von Biomasse in Wasserstoff wurden in den vergangenen Jahren verschiedene Verfahren entwickelt. Full und seine Kollegen haben analysiert, welche Prozesse technisch ausgereift sind und sich künftig wirtschaftlich betreiben lassen. Die neuen Methoden sollen auch eine Schwäche der herkömmlichen Bio-Abfallwirtschaft ausbügeln: Ganz gleich, ob Biomasse kompostiert oder verbrannt wird, stets wird dabei Kohlendioxid frei, das die Pflanzen zuvor per Photosynthese aus der Luft aufgenommen haben. Die Forscher des Fraunhofer IPA wollen das Klimagas aus den Pflanzen hingegen auffangen, um es in der chemischen Industrie als Rohstoff zu verwenden oder in ausgedienten Erdgasfeldern im Boden zu speichern. „So schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe“, sagt Full. „Wir tragen dazu bei, den Kohlendioxid-Gehalt in der Atmosphäre zu verringern und stellen aus den Pflanzenresten grünen Wasserstoff her.“

Wie das funktioniert, zeigt ein Projekt, das das Fraunhofer IPA bei einem Unternehmen aus der Metallbranche durchführt. Dort können Abfälle von Obst- und Weinbauern aus der Umgebung, Kartonagen und Altholz sowie Kantinenabfälle in Wasserstoff umgewandelt werden. Dieser wird dann direkt in der Metallverarbeitung genutzt. Dafür werden die Obstreste und Kantinenabfälle zunächst mithilfe von Bakterien in dunklen Behältern fermentiert, wobei Wasserstoff und Kohlendioxid entstehen. Anschließend kann die fermentierte Masse in einer herkömmlichen Biogasanlage zu Methan vergoren werden, das ebenfalls zu Wasserstoff und CO2 umgewandelt wird. Holz und Papierfasern hingegen lassen sich nur schlecht vergären. Sie können in einem Holzvergaser in CO2 und Wasserstoff aufgespalten werden. Das Fraunhofer IPA vergleicht die verschiedenen Verfahrensoptionen, um die Auswahl geeigneter und möglichst effizienter Technologien zu unterstützen, und leitet technische Optimierungsansätze ab, um Kosten zu sparen und möglichst umweltfreundlich zu produzieren.

Purpurbakterien als Produzenten von Wasserstoff

Besonders fleißig produzieren Purpurbakterien aus Frucht- und Molkereiabfällen Wasserstoff. Forschern an der Universität Stuttgart ist es gelungen, das Bakterium so zu verändern, dass es kaum mehr Licht benötigt, was die Wasserstoff-Produktion energiesparend macht. Zusammen mit dem Fraunhofer IPA untersuchen sie, wie sich die Herstellung von Wasserstoff mit dem Purpurbakterium künftig in größerem Maßstab wirtschaftlich betreiben lässt. Im Projekt „H2Wood – BlackForest“ arbeitet das Fraunhofer IPA-Team dabei zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB daran, wie sich Holzabfälle mikrobiell in Wasserstoff und andere wertvolle Moleküle für die chemische Industrie zerlegen lassen (EUWID 16/2022). Weitere Projektpartner sind der Campus Schwarzwald und das Institut für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb IFF an der Universität Stuttgart.

Studie „Industrielle Wasserstoff-Hubs in Baden-Württemberg“

Dass grüner Wasserstoff das Potenzial hat, den Energiebedarf von Industrie und Schwerverkehr regional zu decken, belegt die Studie „Industrielle Wasserstoff-Hubs in Baden-Württemberg“ (I-H2-Hub-BW) des Fraunhofer IPA. Das Ergebnis: Dezentrale Wasserstofferzeugung und -nutzung zahlen sich aus, wenn man die Verteilerzentren strategisch richtig platziert. Um Transportkosten zu vermeiden, müssen die Hubs nah bei den Verbrauchern stehen. Zudem sollten sie sich in der Nähe stark befahrener Straßen mit Lkw-Betriebshöfen befinden, an denen sich Wasserstoff-Tankstellen einrichten lassen.

Mithilfe der Standort-Kriterien konnte das Forschungsteam mögliche Standorte in Baden-Württemberg identifizieren – allen voran die Metropolregion Rhein-Neckar und den Großraum Karlsruhe. Computersimulationen am Fraunhofer IPA zeigen, dass sich mit regional erzeugtem grünem Wasserstoff innerhalb von zehn Jahren 30 Prozent der fossilen Energie ersetzen lassen, und das nur bei Nutzung der landeseigenen Freiflächen.

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